100 Euro für die Grünen: Warum eine Reform der Minijobs nötig ist

Welch schöne, kleine Sternstunde der deutschen Politik! Alle Parteien kämpfen bereits den Vorwahlkampf. Es werden Wahlgeschenke versprochen (Betreuungsgeld, Reichensteuer etc.), um Mehrheiten – zumindest wahlentscheidende Gruppen – hinter sich zu bekommen. Und in diesem Vorwahlkampf trauen sich die Grünen – in Person der Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckart in einem Interview mit der Rheinischen Post – im Kern die Abschaffung der Minijobs zu fordern. Nur noch für einen Verdienst bis 100 Euro im Monat und für haushaltsnahe Dienstleistungen soll diese Beschäftigungsform gelten.

Mit dieser Forderung kann man im Wahlkampf nicht punkten – und doch trifft sie den Kern des deutschen Arbeitsmarktproblems.

Welches Problem, könnte man fragen. Dem deutschen Arbeitsmarkt geht es doch gut. Vor allem im europäischen Vergleich. Naja. Gerhard Schröders “Agenda 2010” hat zwar viele Menschen in Beschäftigung gebracht, doch dem Einstieg folgt zu selten der Aufstieg. Nicht zuletzt wegen der Minijobs. Für knapp fünf Millionen Menschen ist der Minijob die einzige Beschäftigung. Sie verdienen im Monat maximal 450 Euro. Wollen sie mehr haben, müssen sie brutto zum Teil deutlich mehr verdienen, damit netto mehr bleibt. Rechnet der Einkommenszuwachs nicht die Mehrarbeit, unterbleibt sie.

Ähnlich die Überlegung bei potenziellen Lohnerhöhungen: Warum für mehr Lohn streiten, wenn man danach die 450-Euro-Grenze überschreiten würde – und damit seinen Minojob “verliert”?

Das Interesse, mehr zu verdienen und zu arbeiten, ist also überschaubar. Die Folge: Zu viele Menschen bleiben im Niedriglohnsektor gefangen.

Die Grünen kämpfen also für Chancengerechtigkeit. Neue Freunde werden sie dadurch dennoch wenige gewinnen. Zehntausende Arbeitgeber profitieren von der Suventionierung der Minijobs (geringere Abgaben zur Sozialversicherung und weniger Steuern), und Millionen Arbeitnehmer fürchten um ihre Minijob-Anstellung.

Es ist immer so, wenn sich die Politik für Chancen einsetzt: Der Ertrag einer derartigen Reform liegt in der Zukunft, die potenziellen Gewinner wissen also nichts von ihrem Glück und machen sich folglich auch nicht für die Reform stark. Bekannt sind dagegen die Verlierer – und die melden sich lautstark zu Wort.

Die Zahl der Verlierer würde sich im Wesentlichen auf eine bestimmte Gruppe beschränken. Es wären vor allem jene, die einem Minijob im Nebenerwerb nachgehen; das sind 2,57 Millionen. (Im Vergleich: Die Zahl der Minijobber, die keiner andere Beschäftigung haben, beträgt 4,8 Millionen.) Dass die Beschäftigungsform “Minijob im Nebenverdienst” bei einer Reform wegfallen würde, ist schlicht eine Frage der Gerechtigkeit. Eine Umverteilung der Steuerlast von unten nach oben ist nicht zu rechtfertigen.

Die meisten der knapp fünf Millionen Minijobber ohne andere Beschäftigung würden dagegen gewinnen. Weil Beschäftigungsverhältnisse mit niedrigem Lohn auch in Zukunft unterstützt würden, etwa in Form einer Steuerreduzierung. Was wegfiele, wäre lediglich die Einkommensklippe hin zu einem höheren Lohn, die es heute zu überwinden gilt.

Fazit: Eine Reform, wie von den Grünen gefordert, würde der Gesellschaft ebenso helfen (mehr Steuereinnahmen durch mehr Wirtschaftsleistung) wie jedem Einzelnen (in Form besserer Aufstiegschancen). Noch immer ist unser Leben klassengeprägt. Die Reform der Minijobs wäre ein Schritt zu einem besseren, weil selbstbestimmteren Leben.

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7 thoughts on “100 Euro für die Grünen: Warum eine Reform der Minijobs nötig ist

  1. Warum nicht einfach mal einen Lohn einführen für den es sich zu arbeiten lohnt, ohne das man einen Nebenjob gezwungen ist zu suchen?
    Was ist mit all denen die auf Teilzeit arbeiten + Nebenjob? Sollen die wieder hartz4 beantragen, weil die nebenjobs sich weder für arbeitgeber noch nehmer rentieren werden?
    Was wär der genaue gewinn, für wen? Mehr Steuergeld heißt nicht mehr Wohlstand für alle. Mehr Äpfel am Baum des Nachbers machen dich auch nicht satt.
    Eine Idee sollte man erst etwas ausarbeiten und dann präsentieren und nicht Behauptungen in den Raum werfen auf das Sie selbst eine Idee konzepieren.

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  2. Generell Zustimmung, aber was die Zahl der Gewinner einer Reform angeht, bin ich skeptisch. Denn in den Zahlen sind natürlich auch die Hausfrauen, Rentner und Studenden enthalten, die im Gegensatz zu Arbeitslosen überhaupt kein Interesse und auch kein Potenzial haben mehr zu arbeiten.
    Von daher wäre schön, wenn man die Zahl der “nur” im Minijob arbeitenden mal hätte, dann könnte man zielgerichteter argumentieren. Denn gerade Rentner und Studenten profitieren ja von den Pauschalabgaben.

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