Warum Steuerfreiheit auf Überstunden ein Rückschritt wäre

Nach der CDU will nun auch die FDP die Einkommensteuer auf Überstunden teilweise streichen – und befeuert damit eine Geschichte, die zur Zeit Land auf Land ab medial erzählt wird, nämlich die, dass die Deutschen nicht mehr arbeiten wollen. Dass immer mehr in Teilzeit gingen. Der Punkt ist: Die Geschichte stimmt nicht. Noch nie haben so viele Menschen in sozialversicherungspflichtigen Jobs gearbeitet wie heute. Sowohl die Zahl der Vollzeitbeschäftigten als auch die der Teilzeitbeschäftigten wächst seit Jahren. Nur eben wächst die Zahl der Teilzeitbeschäftigten schneller. Deswegen nimmt ihr Anteil zu.

Warum ist das so? Weil vor allem Frauen in den vergangenen zwei Jahrzehnten in den Arbeitsmarkt gekommen sind. Und die arbeiten, weil sie noch immer größerer Teile der Care-Arbeit übernehmen, eben stärker in Teilzeit. Daraus die Geschichte zu stricken, die Deutschen würden immer weniger arbeiten wollen, ist genau das Gegenteil von dem wie es wirklich ist.

Sind wir doch froh, dass heute eine solch diverse Arbeitswelt möglich ist, bauen wir diese besser weiter aus, indem wir etwa die Barrieren zwischen Angestelltenarbeit und Selbständigkeit abbauen, als als davon zu träumen, dass möglichst alle Menschen in Vollzeit arbeiten – und wenn es nach dem Willen von CDU und FDP geht, sogar darüber hinaus.

Was dazu kommt: Die Steuerfreiheit auf Überstunden wäre eine gesellschaftliche Rolle rückwärts. Zurück in eine Welt, als der Mann zur Arbeit ging und die Frau sich um Haushalt und Kinder kümmerte. Dieses Rollenverhältnis würden steuerfreie Überstunden nämlich fördern. Es wäre dann nämlich mehr Netto vom gleichen Brutto in der Haushaltskasse, wenn einer 120 Prozent arbeitet statt beide je 60 Prozent. Vielleicht träumen manche in der Politik von einer solchen alten Welt. Freiheit und gesellschaftlicher Fortschritt aber geht anders, FDP!