Opposition müsste man sein. Dann könnte man fordern, wünschen, kritisieren. Alles wüsste man besser. Auf jedes Problem hätte man einfache Antworten. Es wären nicht immer Lösungen, dafür Antworten, die viele hören wollten.
Wie der aktuelle Wahlkampf zeigt, hat keine Partei einfachere Antworten als die Linken: Vom Wahlplakat lächelt milde Gregor Gysi aufs Volk, dazu der Slogan “Reichtum für alle“; zwei Straßenlaternen weiter die gleiche Partei, ein anderer Spruch: “Reichtum besteuern“. Ganz offensichtlich glaubt bei den Linken keiner, dass ihre Forderung (“Reichtum für alle”) jemals Realität wird, sonst würde man kaum gleichzeitig “versprechen”, dem Wahlvolk diesen Reichtum gleich wieder zu nehmen (“Reichtum besteuern”). Man weiß halt, es sind nur Parolen — Parolen von haltlosen Versprechen, Parolen von Neid.
Es spricht für die Intelligenz der Mehrheit unserer Gesellschaft, dass es überhaupt noch Reiche gibt. Denn die Reichen sind in der Minderheit. In einer Demokratie könnte sich die Mehrheit eine Regierung wählen, die dafür sorgt, dass den Reichen ihr Reichtum genommen wird. Der könnte dann auf die vielen weniger Reichen verteilt werden. Für manche ist das nur fair. Für sie herrscht erst dann Gerechtigkeit, wenn alle das Gleiche haben. Was aber würde passieren, wenn den Reichen ihr Vermögen genommen würde? Wenn es derart besteuert würde, dass am Ende vom Reichtum nichts bliebe? Wie würde dies — abgesehen davon, dass die Reichen nicht mehr reich wären — die Gesellschaft verändern?
Die Folgen wären gravierend. Weil dann die Menschen nicht mehr danach streben würden, Vermögen anzuhäufen. Es würde sich ja nicht mehr lohnen. Dies wäre das Ende unseres Wohlstands. Denn der Mensch hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten, sein Einkommen zu verwenden: Er kann es unmittelbar ausgeben (konsumieren) oder aufheben (sparen). Nur letzteres aber schafft den Wohlstand der Zukunft. Denn Sparen ist die Kehrseite der Investition: Das Geld, das der Bank gegeben wird, verleiht diese an andere, die damit investieren. Einer baut sich ein Eigenheim, ein anderer erweitert seine Firma, der dritte steckt es in seine Ausbildung. Alle drei verzichten auf gegenwärtigen Konsum, um in der Zukunft ein besseres Leben führen zu können (Wohnen in den eigenen vier Wänden, höhere Firmengewinne, lukrativerer Job).
Aus der Summe vieler individueller Entscheidungen ergibt sich so die Sparquote eines Landes. Sie zeigt an, wie wichtig einer Gesellschaft der augenblickliche Konsum ist, im Vergleich zu einem guten Leben in der Zukunft. Ein Land mit niedriger Sparquote ist ein Land ohne Vertrauen — ohne Vertrauen, dass dem heutigen Verzicht die spätere Belohnung folgt.
Fehlendes Vertrauen hat auch die aktuelle Wirtschaftskrise ausgelöst. Genauer gesagt waren es zunächst vor allem die Banken, die sich nicht mehr über den Weg trauten. Sie liehen sich untereinander kein Geld mehr. Nicht mal für ein paar Stunden. Weil sie befürchteten, es am nächsten Tag nicht mehr wiederzusehen. Obwohl der Zinssatz am so genannten Interbankenmarkt Anfang des Jahres stark angestiegen war, parkten viele europäische Geldinstitute ihr Vermögen lieber im sicheren Hafen der Europäischen Zentralbank. 200 bis 300 Milliarden Euro lagerten sie dort zu niedrigen Zinssätzen Nacht für Nacht ein. Es dauerte mehrere Monate bis das Vertrauen zurückkehrte. Im Frühjahr dann war der Betrag auf 20 Milliarden Euro gesunken.
Wie den Banken, so geht es allen Beteiligten eines Wirtschaftssystems: Erst wenn das Vertrauen zurück kommt, kann der Aufschwung einsetzen. Wer sich seines Jobs sicher ist, nimmt einen Kleinkredit auf, um das marode Ziegeldach seines Eigenheimes erneuern zu lassen. Wer eine Perspektive sieht, beginnt ein Ingenieursstudium. Wer einen wachsenden Markt erwartet, wird in seinem Unternehmen die Weichen auf Expansion stellen. Dieses Vertrauen ist eine selbsterfüllende Prophezeiung. Weil der Dachdecker einen Auftrag erhält, das Unternehmen sein Personal aufstockt und die Ausbildungsstätte neue Lehrer einstellt, führt die Erwartung des Aufschwungs dazu, dass er auch wirklich eintritt.
Ohne Vertrauen also kein Ende der Krise, Vertrauen auch darin, dass jeder einzelne, so er zu Vermögen kommt, relevante Teile davon behalten darf. Man muss das nicht als gerecht empfinden, aber man sollte es akzeptieren: Wer Wohlstand will, muss Reichtum zulassen.