Eine Frage der Produktivität: Warum Gustav Horn bei der Mindestlohn-Diskussion für Flüchtlinge irrt

Wie werden aus Flüchtlingen Beschäftigte? // Foto: Michael Gubi (CC BY-NC 2.0)
Wie werden aus Flüchtlingen Beschäftigte? // Foto: Michael Gubi (CC BY-NC 2.0)

Es gibt bekanntlich den ein oder anderen Ökonomen, der findet am deutschen gesetzlichen Mindestlohn nichts Schlechtes. An Minderheitspositionen ist im Grunde auch nichts Verkehrtes. Es fällt aber auf (mindestens in den Wirtschaftswissenschaften), dass manche Minderheitsposition der Wissenschaft Mehrheiten in Politik und Gesellschaft findet. Es lässt sich folglich mit Außenseitermeinung hohe Aufmerksamkeit und Unterstützung erzielen. (Und mit Hilfe der Gewerkschaften gelangen solche Meinungen in – was die Reputation betrifft – höchste Ämter.) Ein Schelm also, wer Böses dabei denkt.

Gustav Horn ist ein solcher Ökonom. Jüngst hat er ein Plädoyer für den Mindestlohn im allgemeinen und für die Beibehaltung des Mindestlohns für Flüchtlinge im Speziellen gehalten. Dabei passen, nach allem was man weiß, die Qualifikationen vieler Flüchtlinge nur bedingt zu dem, was in Deutschland am Arbeitsmarkt gefragt ist. Es gibt deshalb für viele Zugewanderte nur zwei Wege in den Arbeitsmarkt: besser oder günstiger werden.

Der Mindestlohn setzt für letztere Strategie die Grenze nach unten. Und die Politik tut sich schwer, diese Grenze aufzuheben, weil sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, Flüchtlingen bei der Jobsuche einen Vorteil zu verschaffen. Die Politik ist daher dankbar, wenn ihnen Experten beipflichten.

Gustav Horn pflichtet bei. Sein Kernargument: Höhere Löhne sind hilfreich, weil sie für Wachstum sorgen, weil ja, wer mehr verdient, auch mehr ausgeben kann. Und mit diesem Wohlstandsanstieg seien wiederum höhere Löhne möglich. – So lautet Horns Abwandlung des Perpetuum mobile.

Häufig wird diese Argumentation als Nachfrage-Sichtweise bezeichnet, demgegenüber jene Ökonomen stünden, die für Angebotspolitik plädieren würden. Es wird dann so getan, als handele es sich hier um einen Ideologie-Streit, der – ob der Ideologie – nicht zu entscheiden sei.

Doch der Eindruck täuscht. Nachfragepolitik hat nur in seltenen Situationen seine Berechtigung. Denn es gibt im Kern nur drei Gründe für Wachstum: mehr Arbeit, mehr Kapital und Fortschritt. Im Falle der aktuelle großen Zuwanderung nach Deutschland entsteht Wachstum vor allem durch mehr Arbeit. Findet ein Flüchtling eine Anstellung, so wächst die Volkswirtschaft. Aber eben nicht in der Höhe seines Lohnes, sondern in der Höhe dessen, was er zum Sozialprodukt beiträgt. Die Produktivität ist entscheidend – was er dabei verdient, spielt in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung eine untergeordnete Rolle.

Beispiel: Hat ein Angestellter eine Produktivität von 14 Euro die Stunde und erhält einen Lohn von 12 Euro die Stunde, dann bleiben 2 Euro für den, der ihn angestellt hat. Verdient der Angestellte dagegen nur 10 Euro, bekommt der Arbeitgeber 4 Euro vom Erwirtschafteten. In der Summe sind es aber immer 14 Euro die Stunde, die es zu verteilen gibt. Und diese 14 Euro werden in der Summe nachfragewirksam, selbst wenn der Arbeitgeber seinen Anteil investiert, weil ja bekanntlich jede Investition der Konsum der Zukunft ist.

Mit anderen Worten: Die Lohnhöhe ist in erster Linie eine Verteilungsfrage und keine des Wachstums. Wachstum entsteht durch Beschäftigung. Die aber bleibt aus, wenn Flüchtlinge zum vorgegebenen Mindestlohn keinen Job finden, weil deren Produktivität unterhalb der Mindestlohn-Grenze liegt.

Insofern irrt Horn. Oder er will irren. Weil sich mit seiner Erklärung der individuelle Vorteil (mehr Lohn) so passend mit dem Ziel der Gesellschaft (mehr Wohlstand) verbinden lassen würde. Und somit die Forderung nach höherem Lohn (Gewerkschaftsanliegen) leichter durchsetzbar wäre. Aber kollektiv beschlossene Lohnhöhen haben immer das Potenzial, Menschen mit geringerer Produktivität vom Arbeitsmarkt auszuschließen. Mit dem Dilemma müssen die Gewerkschaften leben. Die Ökonomik reicht ihnen dafür nicht die Hand.

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4 thoughts on “Eine Frage der Produktivität: Warum Gustav Horn bei der Mindestlohn-Diskussion für Flüchtlinge irrt

  1. Ein hoch auf die Liberalisierung der Märkte!

    Keine Subventionen mehr für Milch-Bauern! Dann geben zwar einige von Ihnen demnächst auf und schwenken auf Ponyhof-Betrieb o.ä um, wir trinken weniger, aber teurere Milch und mehr Saft Aber was soll’s!
    Keine staatlichen Subvetionen mehr für die Automobilindustrie! Vielleicht verschwindet ein Hersteller vom Markt, Menschen fahren Mehr Bahn oder Fahrrad und prodizieren eben diese. Nach turbulenten Umwälzungen findet die deutsche Industrie ihr neues Gleichgewicht. Also was soll’s!
    Keinen Mindestlohn oder andere Lohnsubventionen mehr! Dann geben verschwinden einige Arbeitnehmer demnächst vom Markt, weil es sich schlicht nicht lohnt bei zu geringen löhnen zu Arbeiten. Was soll’s! Ähh moment…

    Vielleicht erkennt der eine oder andere an meinem Beispiel, dass der Arbeitsmarkt, komplett anders funktioniert als alle anderen Märkte? Wenn man die Auffassung vertritt, dass Arbeit und nicht irgendeine Form von Grundeinkommen (= staatliche Subvention) der beste Weg aus Armut hin zu einem selbstbestimmten Leben ist, dann stellt sich die Frage, wie mah ernsthaft fordern kann, dass sich der Preis/Lohn an die Produktivität von Geringqualifizierten anpassen soll. Vielmehr muss die Forderung sein, die Produktivität anzupassen. Entsprechender Druck entsteht durch die Einführung von Mindestlöhnen. Eine Abschaffung des Mindestlohns und Aufstocken durch Transferzahlungen nimmt diesen Druck.

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  2. Ich nenne diese doch eigentlich für einen Ökonomen wie Horn viel zu vulgär-keynesianische Argumentation immer gerne die “Münchhausen-Theorie des Lohns”. Nicht, weil sie so dreist herbeigelogen wäre (obwohl… ;-)), sondern weil sie das dazu passende Bild des sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehenden Reiters liefert.

    Eins der Probleme dabei ist, dass sie praktisch keinen Grund für eine Begrenzung von Löhnen überhaupt liefert. Warum also so bescheiden beim Mindestlohn? Soll menschliche Arbeit uns etwa keine 50 Euro pro Stunde wert sein? Probleme gibt es schließlich keine, kommt alles über mehr Nachfrage irgendwie wieder rein.

    Auf dem Blog “Café Hayek” werden die meist dürftigen Argumente für über der Produktivität liegende Mindestlöhne regelmäßig auseinander genommen. Ein besonders schönes Beispiel lieferte da jüngst auch ein unbekannter Kommentator in einem anderen Forum, der in “Café Hayek” gerne zitiert wurde: http://cafehayek.com/2015/11/an-anonymous-first-rate-economist-on-the-economics-of-the-minimum-wage.html

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  3. “Es gibt deshalb für viele Zugewanderte nur zwei Wege in den Arbeitsmarkt: besser oder günstiger werden.”
    ->Der Mindestlohn setzt die Grenze nach unten und schützt Einheimische in Niedriglohnjobs vor Preiskampf nach unten (weil einfache Täigkeiten sehr leicht austauschbar). Damit entsteht nur der Anreiz besser zu werden und sein Humankapital zu steigern. Da Y = A* f( L, N, H, K) und damit L und H steigt, KÖNNTE damit auch Y steigen.

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