
Die Politik redet beim Flüchtlingsthema gerne von großen, staatlichen Herausforderungen. Wenig dagegen weiß man darüber, wie sehr privates Engagement zur gelingenden Aufnahme beiträgt. Meine subjektive Wahrnehmung: Nie war der Anteil privaten Engagements größer. Und nie war das Engagement effizienter. Denn mit Hilfe des Internets wird die Motivation der vielen Unterstützer in Bahnen gelenkt, so dass aus dem Willen zu helfen, Hilfe wird. (Schnell helfen ist etwa ein solches Vorzeigeprojekt, das Hilfe zu Hilfesuchenden bringt.)
Der technische Fortschritt ermöglicht zunehmend, die Schwächen träger Staatsstrukturen durch privates Engagement abzufangen.
Das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin (FiBS) hat jetzt einen Vorschlag ausgearbeitet, wie das private Engagement auf die Bildung ausgeweitet werden könnte. Denn der Staat sei finanziell und strukturell kaum in der Lage, der aktuellen Entwicklung adäquat Rechnung zu tragen. In dem Paper “Ein Refugee Impact Fund zur Finanzierung von Bildung und Qualifizierung für Flüchtlinge” überschlägt Gründer, Inhaber und Direktor des FiBS, Dieter Dohmen, die Dimension der Anstrengung:
Zahlen darüber, wie sich die Zuwanderung auf das Bildungswesen auswirken wird, liegen bisher nur begrenzt und fragmentiert vor: Die Bundesfamilienministerin geht von 68.000 Kita-Kindern, die Kultusminister/innen rechnen mit 325.000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern – allerdings enthält diese letztgenannte Zahl etwa 100.000 Flüchtlingskinder des vergangenen Jahres. Des Weiteren dürften etwa 130.000 der Zuwandernden eine Studienberechtigung und etwa 65.000 bereits ein Studium abgeschlossen haben. Weitere 140.000 dürften eine Berufsausbildung abgeschlossen haben; gleichzeitig haben jedoch 340.000 Menschen bisher keine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen. Bei diesen Zahlen handelt es sich um Hochrechnungen auf Basis der vorliegenden Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie der Bundesagentur für Arbeit. Darüber hinaus müssen fast alle Zuwanderer zunächst die deutsche Sprache lernen.
Nach Berechnungen des FiBS belaufen sich die zu erwartenden Ausgaben für Bildung und Ausbildung in den kommenden Jahren auf etwa 25 Milliarden Euro, wenn man von 800.000 Zuwandernden ausgeht, und auf 48 Milliarden, wenn es 1,5 Millionen werden sollten. Auf einzelne Jahre umgelegt ist demnach mit bildungsbedingten Kosten von 5 bis 7,5 Milliarden Euro zu rechnen (wobei darauf hinzuweisen ist, dass sich diese Beträge ausschließlich auf diejenigen beziehen, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen).
Doch es seien nicht nur die hohen Kosten, die für den Staat problematisch seien, so Dohem:
Auch wenn sich die Beschäftigten in Ministerien und Behörden, wie auch die vielen Ehrenamtlichen nach Kräften bemühen, ist davon auszugehen, dass die bisherigen Anstrengungen weder ausreichen noch die Personalaufstockungen schnell genug gehen werden. In der Folge geht wertvolle Zeit verloren, um eine möglichst schnelle Integration zu ermöglichen. Auch stehen bürokratische Verfahren und bestehende Regelungen einer schnellen Integration entgegen: Allgemeine und insbesondere berufsbezogene Sprachkurse, finanzielle Unterstützungsleitungen etc. stehen oft erst nach Monaten oder gar Jahren zur Verfügung; das BAföG zum Beispiel erst nach einem Jahr.
Um die notwendige Bildung schnell finanzieren zu können, schlägt Dohem vor, einen so genannten Refugee Impact Fund aufzulegen, der private Mittel, zum Beispiel von (Lebens)Versicherungen, (anderen) Unternehmen, Stiftungen, aber auch Privatpersonen, einsammelt, um sie in Bildung und Qualifizierung von Flüchtlingen zu investieren.
Die Investition soll sich für die Anleger durchaus rechnen: Da sich die Erträge von Bildung in einem höheren Sozialprodukt niederschlagen, soll der Fonds – so schlägt Dohem vor – an den öffentlichen Steuer- und Sozialversicherungsmehreinnahmen und Einsparungen bei den Sozialausgaben beteiligt werden.
Denn gelinge die erfolgreiche Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt, wovon in Zeiten des demografisch bedingten Fachkräftemangels bei ausreichender Qualifikation – wie bei den hier Aufgewachsenen auch – auszugehen sei, dann verringerten sich nicht nur die Kosten für Unterbringung und Sozialleistungen, sondern es entstünden Mehreinnahmen in den öffentlichen Haushalten und in den Sozialversicherungen.
Wie hoch diese Mehreinnahmen sein werden, hänge davon ab, wie viele der jetzigen Flüchtlinge später erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden, wie viele Familienangehörige sie versorgen und, nicht zuletzt, vom durchschnittlichen Gehalt sowie den Kosten der Bildungsmaßnahmen.
Die “recht vorsichtigen Berechnungen” zu den zu erwartenden fiskalischen Erträgen kommen laut Paper fast durchgängig auf zweistellige Beträge, das heißt von Renditen, die bei über 10 Prozent liegen, “eine – angesichts des geringen Risikos – durchaus lukrative Verzinsung”, so Dohem.
-> Dohmen, Dieter: Ein Refugee Impact Fund zur Finanzierung von Bildung und Qualifizierung für Flüchtlinge; FiBS-Forum, No. 57
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One thought on “10 Prozent Bildungsrendite: Wie mit privater Initiative aus dem Flüchtlingsstrom Wohlstand wird”