Die halbe deutsche Medienlandschaft hat bereits über den Überlebenskampf des Kiez-Blogs Prenzlauer Berg Nachrichten (PBN) geschrieben, selbst Bundestagsabgeordnete rufen zur Unterstützung auf – und dennoch finden sich neue Unterstützer nur tröpfchenweise. 750 Abos für monatlich 4,90 Euro müssen bis zum 29. Mai an Frau und Mann gebracht sein, sonst schließt nach eigener Aussage das Blog. Im Moment (23. Mai, 12.30 Uhr) sind 390 Abos verkauft.
Es gibt für mich aktuell kein deutlicheres Beispiel dafür, wie wenig tauglich das Paid Content-Modell für klassischen Journalismus ist. Eigentlich haben die Prenzlauer Berg Nachrichten das, was Paid-Content erfolgreich machen kann: Exklusivität und Relevanz. Ich kann das beurteilen, ich wohne im Einzugsgebiet des Blogs und ich lese es regelmäßig. Und es gibt keinen Zweifel: Das Blog ist journalistisch gut gemacht. Die Themenauswahl ist abwechselnd, die Texte leserlich, der Nachrichtenwert hoch. Und: Es gibt viele potenzielle Leser – im Prenzlauer Berg wohnen über 150.000 Menschen.
Ich vermute, dass die Prenzlauer Berg Nachrichten es schaffen werden, bis zum Ende des Monats die selbst gesteckte Hürde von 750 Abonenten zu nehmen. Aber wäre das wirklich ein Erfolg? Ein, in einer großen Zielgruppe, hochrelevantes journalistisches Produkt zu erstellen und damit Einnahmen von monatlich 3000 Euro zu generieren – das mag vieles sein, ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell ist es nicht.
Meine – zugegeben ungeprüfte – Gegenthese: Mit einem geübten Anzeigenverkäufer sollten Anzeigenerlöse von deutlich mehr als 3000 Euro im Monat zu erwirtschaften sein. Die Bewohner des Prenzlauer Bergs sind zahlungskräftig. Und alle Geschäfte sind für die gesamte Zielgruppe schnell erreichbar, der Stadtteil ist gerade mal zehn Quadratkilometer groß. Wer also in den Prenzlauer Berg Nachrichten wirbt, kann sicher sein, dass die Anzeigen von potenziellen Kunden gelesen werden. Warum um alles in der Welt soll das Geschäftsmodell “Anzeigenverkauf” nicht funktionieren?
Auf 3000 Euro käme man schon mit zehn Geschäften, die pro Monat 300 Euro in die Gewinnung von Kundschaft investieren. Bei 20 Geschäften wären es 6000 Euro. Das soll nicht möglich sein? Ich glaube das nicht.
Hier die Antwort auf diesen Post vom Gründer der Prenzlauer Berg Nachrichten, Philipp Schwörbel.
Teilen Sie den Beitrag in den sozialen Medien – und folgen Sie dem Pixelökonom auf Facebook, Twitter, Google+ oder abonnieren Sie den RSS-Feed.
Das Problem mit dem Paid Content ist auch, dass die Artikel an Relevanz verlieren, wenn sie nurmehr 750 Leuten (und punktuell deren Freunde) zugänglich sind. Das erlebt man dann im heutigen Netz nicht mehr als “öffentliche Debatte”, sondern nurmehr als Ware für den persönlichen Gebrauch.
Was soll z.B. ein Artikel über irgend etwas Brisantes aus der BVV BEWIRKEN, wenn er nur von einem kleinen Closed Club gelesen wird?
Da fühlt sich vermutlich kaum jemand bemüßig, drauf zu reagieren!
LikeLiked by 1 person
Interessanter Beitrag. Ich sehe das ähnlich, dass die PBN eigentlich in der Lage sein müsste, sich in diesem Kiez hier und mit dieser Leserschaft klassisch zu finanzieren. Ich vermute aber, dem steht eine etwas zu romantische Vorstellung von Journalismus entgegen. Wer die ellenlangen Rechtfertigungen für das Bezahlmodell durchliest, bekommt eine Ahnung davon …
LikeLike
Weil die Kommentarfunktion hier im Blog Schluckauf hat, schrieb Philipp Schwörbel, der Gründer der Prenzlauer Berg Nachrichten, mir über das Kontaktformular. Ich veröffentliche seinen Text hier:
Lieber Johannes Eber,
erst einmal danke. Das ist sehr treffend zusammengefasst! Eigentlich “sollte” bei uns im Kiez sowohl Anzeigengeschäft und auch Paid Content klappen! Und nun bin ich kein Anzeigenverkäufer vor dem Herrn, aber ich bin auch nicht sooo schlecht. Ich habe mich wirklich reingehängt. Allein, hier geht es nicht. Warum?
Also: Einige versuchen die Lösung in mehr Content Marketing, also Anzeigen, die so aussehen, wie Artikel, aber Anzeigen sind. Oft ohne Kennzeichnung. Das kommt aber für mich nicht in Frage. Ich habe die PBN aus dem Impuls gegründet, eine Zeitung vor Ort zu haben, weil mir eine fehlt. Da will ich ja Artikel drin haben und keine Werbetexte. Möglich, das habe ich geschrieben, wäre es: Wir haben 2 von 3 potentiellen Kunden abgesagt, weil die auch einen netten Artikel haben wollten, als Bedingung für eine Anzeigenschaltung. Hätte wir ja machen können.
Damit hätten wir aber unsere Glaubwürdigkeit ruiniert. Und außerdem werden auch die Preise für versteckte Werbung sinken.
Also musste ich mich entscheiden.
Ich setze darauf, die zu bitten etwas beizutragen, für die wir schreiben. Die Leser. Obwohl ich weiß, wie schwierig das ist. Denn Journalismus ist ein öffentliches Gut und einfach mal so eine PayWall zu machen – da bin ich 100 d´accord – kann nicht gehen. Also versuchen wir es in Kombination mit einer Kampagne!
Zwischenfazit: Wir haben fast 400 Menschen gewonnen, die das machen. In knapp 24 Tagen. Das ist ehrlich gesagt sehr sehr gut! Vor dem Hintergrund, dass es eigentlich nicht gehen kann – zeigen die Leser uns: Es kann klappen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie, wenn Du kräftig mit uns die Trommel schlagen könntest, denn zusammen kann es uns gelingen, die erste Berliner Zeitung zu werden, die sich ausschließlich über ihre Leser finanziert!
Philipp Schwörbel
LikeLike