Im öffentlichen Raum Menschen um Geld zu bitten, ist nicht nur in Berlin eine offensichtliche Form der Aufbesserung des eigenen Lebensunterhalts. Die unterschiedlichen Formen pauschal als “betteln” zu bezeichnen, unterschätzt die Komplexität der dahinter liegenden Geschäftsmodelle: Menschen regelmäßig dazu zu bringen, den Geldbeutel zu öffnen und Fremden zu geben, was man selbst gebrauchen kann, braucht mindestens ein Training-on-the-Job.
Das Äußere muss stimmen (Anschein der Bedürftigkeit), der Habitus (der Nehmende steht unter dem Gebenden) und die Umgangsformen (der Bittende muss drängen ohne zu be-drängen). Das Marketing ist also entscheidend.
Ebenso wichtig ist die Strategie. Wenn die Häufigkeit des Auftretens ein Indiz für den Umsatz ist, dann lässt sich mit dem Öffnen von Bankfilialen-Türen aktuell relativ gut verdienen. In Berlin jedenfalls habe ich beim Gang zum Geldautomaten schon länger keine Türklinke mehr gedrückt.
Anders als der Türsteher verwehrt der Türöffner keinem den Eintritt, sondern gewährt – meist mit einem Lächeln – ausnahmslos allen den barrierefreien Zutritt zum Geldautomaten. Einzige Qualifikationen: Freundlichkeit und Stehvermögen.
Dieser Arbeitsplatz zum Erbitten von Geld ist vorzüglich gewählt, weil sich Bittender und potenziell Gebender zwei Mal begegnen: Der ersten Höflichkeit (unaufgefordertes Öffnen der Türe) folgt beim Verlassen der Bankfiliale zwingend ein Wiedersehen. Außerdem nimmt jeder zwischen der ersten und der zweiten Begegnung seinen Geldbeutel in die Hand, hat also die einfache Möglichkeit, Münzen zu nehmen, um sich für das (abermalige) Aufhalten der Türe zu bedanken.
Und jene Menschen, die meinen, sich für entgegengebrachte Freudlichkeiten stets und immer revanchieren zu müssen (ich gehöre dazu), fühlen sich gedrängt, Geld zu geben, weil es – außer einem freundlichen “Danke” – keine Alternative gibt.
Die cleveren Türöffner bleiben übrigens auch dann freundlich, wenn man beim Rausgehen nichts gibt. Sie wissen: Ihre Kunden kommen wieder.
siehe auch: Beruf Bettler: Zur Ökonomie einer gar nicht so einfachen Tätigkeit
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