Warum wir am Wohlstand leiden

Warum sind Menschen in Wohlstandsgesellschaften oft nicht glücklicher als in weniger wohlhabenden Gesellschaften?

Die Grundlagenökonomik hat eine Erklärung.

Die beschäftigt sich bekanntlich mit relativen Knappheiten. Akteure setzen ihre verfügbaren Mittel so ein, dass sie ihren Nutzen maximieren. Der Homo oeconomicus eben.

Auch aus der Ökonomik: Aus der zweitbesten Alternative, also jener, die man nicht wählt, ergeben sich die sogenannten Opportunitätskosten einer Entscheidung.

Diese Opportunitätskosten errechnen sich aus der Differenz zwischen dem Nutzen der (gewählten) besten und der (nicht gewählten) zweitbesten Alternative.

Wer ein neues Auto kauft, wird vielleicht keinen Winterurlaub machen können. Der eigentliche Nutzen des Autokaufs besteht folglich nicht aus dem Nutzen, den das neue Auto bringt, sondern liegt in der Differenz zum Nutzen eines Winterurlaub.

Das klingt nach Ökonomik, ist aber Lebenswirklichkeit.

Wir können uns eben immer nur für eine Sache entscheiden. Etwa weil finanzielle Möglichkeiten begrenzt sind.

Wird nun eine Gesellschaft reicher, steigt nicht nur der Nutzen aus den verwirklichten Entscheidungen, sondern auch der potenzielle Nutzen aus den unverwirklichten. Karl Homann und Andreas Suchanek schreiben in ‘Ökonomik – Eine Einführung’:

„Überspitzt könnte man sagen, dass Knappheit in diesem Sinne, nämlich als relative Knappheit, kein Problem des Mangels, sondern des Überflusses ist.“

Mit anderen Worten: Mit steigendem Wohlstand steigen auch die Opportunitätskosten – also alles, was wir nicht tun können.

Ergo: Der Wohlstandsanstieg hat eine offensichtliche Schattenseite. Wir bekommen zwar mehr, aber noch mehr bekommen wir nicht.

Die Digitalisierung tut ihr Übriges. Stets wird uns vor Augen geführt, was wir nicht haben. Paragliding in den Alpen. Die neueste Playstation. Ein Leben auf der Alm. Strahlend weiße Zähne. Wir sehen, was wir machen könnten, wenn wir (noch) mehr Geld und Zeit hätten.

Letztere betrifft selbst jene Reichen, die sich vermeintlich alles leisten können. Zeitknappheit führt uns die hohen Opportunitätskosten unseres Wohlstandslebens vielleicht am eklatantesten vor Augen. Wir könnten so viel machen, wenn wir doch mehr Zeit hätten!

Haben wir aber nicht. Tage und Leben sind begrenzt.

Was tun?

Den Fokus nicht auf die Opportunitätskosten legen, sondern auf das, was wir tatsächlich umsetzen.

Wer ein Auto kauft, der erfreue sich am Autofahren und denke nicht an den ausgefallenen Skiurlaub. Wer sich ein Mittagessen im Restaurant gönnt, genieße es. Wer ins Kino geht, statt sich ein Buch zu kaufen, der trauere nicht dem Buch nach – selbst wenn der Film nicht gefällt.

Es bringt nichts, in der Welt der Opportunitätskosten zu leben, seine Gedanken um die Frage kreisen zu lassen: Was hätte ich machen können? Wer nach dem “hätte” fragt, leidet unter der Zunahme an Möglichkeiten. Wer dagegen darauf schaut, was ist, den wird Wohlstand glücklich machen.

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