Vertrauen schlägt Wissen

Wenn die Menschen doch nur mehr über Politik wissen und damit verstehen würden, dann würden sie weniger häufig populistische und radikale Parteien wählen. 

Man hört oft diesen Satz in Variationen. Aber stimmt er?

Zwei Dinge stören mich daran. 

Erstens, die Aussage ist potenziell überheblich. Wenn sich eine Gruppe nur mehr über etwas informieren würde, dann würde sich deren Meinung der anderen annähern. Als sei alles nur eine Frage der „richtigen“ Information. Die Möglichkeit, dass es auch umgekehrt sein könnte, dass man sich bei genauer Betrachtung auch der Meinung der anderen annähern könnte, wird nicht in Erwägung gezogen. Näher kommt man sich dadurch nicht. 

Zweitens, wir neigen bei der Frage, wen Menschen wählen, dazu, die reine Information überzubewerten. Wir fordern, sich mehr zu informieren, dabei ist fast jeder Informationsstand unbefriedigend. Die einen wissen nur noch weniger als die anderen. Es ist ja gerade das Wesen der parlamentarischen Demokratie, dass wir Entscheidungsfindungen an Profis delegieren, weil der/die einzelne Bürger:in allein zeitlich gar nicht in der Lage ist, sich über alle Themen ein umfassendes Bild zu machen. Wäre das möglich, wäre die direkte Demokratie ohne Parlament die bessere Gesellschaftsform. Wenn wir aber nicht wissen können, müssen wir vertrauen. Müssen wir uns ein grundsätzliches Bild von Personen, Organisationen und Institutionen machen und auf dessen Basis Parteien und Politiker:innen bei ihrem Tun im Detail vertrauen, dass sie in unserem Sinne handeln. 

Was bedeutet das nun für unser Thema „Stärkung der Demokratie“? 

Ja, Bildung ist wichtig, aber wer die Demokratie stärken will, muss auch, und vielleicht mehr als uns bewusst ist, Vertrauen aufbauen. Am besten geht das durch Stringenz, durch Beibehaltung des einmal Gesagten und dadurch Erwartungen zu erfüllen. Es hat schon einmal funktioniert, dann wird es auch in Zukunft funktionieren. So werden Politiker:innen wiedergewählt, so vertraut man demokratischen Institutionen. Schafft die Demokratie Sicherheit, Wohlstand, Freiheit, dann wird man an ihr festhalten wollen. Auch deshalb müssen wir die demokratischen Institutionen regelmäßig darauf abklopfen, nämlich ob sie optimal in der Lage sind, das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. 

One thought on “Vertrauen schlägt Wissen

  1. Das ist aber gar nicht einfach, und dazu trägt auch die AfD selbst bei. Denn je stärker sie wird, um so bunter werden auf der anderen Seite die Koalitionen gegen sie, was wiederum die daran beteiligten Parteien zwingt, von ihren Wahlversprechen gehörig Abstand zu nehmen, weil diese auf Widerstand bei mindestens einem der Koalitionspartner stoßen. Was wiederum von Seiten der Wähler als Vertrauensbruch gesehen wird. Zwar lieben die Deutschen den überparteilichen Konsens, aber wenn die Schnittmengen gar zu klein werden, erkaltet diese Liebe auch schnell.

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