Wer bestimmt die Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens?

Wird es die Demokratie in 100 Jahren noch geben?

Fest steht: Die Demokratie ist zunehmend unter Druck (in 94 Ländern gibt es aktuell Rückschritte).

Zur Beantwortung der Frage kann eine Definition helfen.

Hier eine simple:

Demokratie meint, dass die Menschen sich selbst die Regeln ihres Zusammenlebens geben.

Solche Regeln des Zusammenlebens hat es in der Geschichte der Menschheit stets gegeben.

Nur die Begründungen haben gewechselt.

Mal kam die Begründung von Gott (10 Gebote), lag in der menschlichen Natur (Soziobiologie), folgten Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte (Karl Marx) oder hatte seine Ursache in der menschlichen Struktur (Frankfurter Schule).

Ziel dieser Begründungen war und ist, so hat der wunderbare Ökonom Karl Homann (in “Ökonomik – Eine Einführung“) geschrieben, “das unstete Meinen und Wollen der Menschen unter verbindliche Regeln zu zwingen, damit die soziale Ordnung, die Verlässlichkeit wechselseitiger Verhaltenserwartungen erhalten bleibt.”

Gibt es in einer pluralen Weltgesellschaft aber noch solche Begründungen, auf die sich die Menschen einigen können?

Mindestens die Religion hat als Erklärungs- und Integrationsansatz ausgedient. Wir können uns folglich nicht mehr auf eine externe Instanz berufen. Vielmehr müssen wir Menschen selbst und gemeinsam bestimmen, nach welchen Regeln wir miteinander umgehen wollen.

Welche Regeln wir uns in einer Demokratie setzen, ist also offen. Entscheidend ist, dass es demokratisch zugeht, dass also Regeln selbstbestimmt von allen verhandelt und entschieden werden.

Dafür, dass dieser Wunsch auf ein solches selbstbestimmtes Leben verschwinden wird, sehe ich keine Anzeichen. Im Gegenteil: Der Wunsch nach (individueller) Verwirklichung war vielleicht nie größer. Mindestens waren die Möglichkeiten, ein solches Leben zu führen, nie umfangreicher.

Insofern müsste man sich um die Demokratie keine Sorgen machen.

Die Gefahr lauert aber an anderer Stelle. Dass es nämlich einer Gruppe gelingt, die Regeln der selbstbestimmten Gesellschaft außer Kraft zu setzen. Putin fragt eben nicht (mehr) das Volk, was es sich wünscht (schon gar nicht, wen es sich wünscht). Er hat die Demokratie(-Ansätze) in Russland (mit den Mitteln der Demokratie) abgeschafft.

Das ist die eigentliche Gefahr: dass es zu wenig Aufmerksamkeit und Bewusstsein für den Erhalt der Demokratie gibt. Dass zu viele den Heilsversprechungen von Populisten:innen glauben. Und dass diese Vielen zu spät merken, dass sie nur dazu benutzt wurden, damit andere die Macht erklimmen (und dann nie mehr gefragt werden, ob sie die Mächtigen wieder loswerden wollen).

Ob es die Demokratie in 100 Jahren noch geben wird, hängt also weniger davon ab, ob sich die Menschen Demokratie (ein selbstbestimmtes Leben) wünschen; es hängt vielmehr davon ab, wie gut es uns allen gelingt, jene von der Macht fernzuhalten (oder wieder zu vertreiben), welche die Spielregeln der Demokratie nur so lange mitspielen, bis sie an diese Macht gekommen sind.

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