Ein Nachteil von Demokratie ist: Sie ist wenig vorausschauend. Notwendige politische Schwenks kommen erst, wenn die Welt droht in Flammen aufzugehen. Das ist beim Klimawandel nicht anders als bei der Verteidigung. Warum das so ist? Politik zögert mit der Umsetzung, weil sie keine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich weiß. Fakten, Wissen und Prognosen liegen oft schon lange auf dem Tisch, aber sie brauchen gefühlte Ewigkeiten bis sie in das Bewusstsein der Bevölkerung sickern. Jean-Claude Juncker, der früherer Präsident der EU-Kommission, hat das Dilemma einmal so beschrieben: “We all know what to do, but we don’t know how to get re-elected once we have done it.”
Ein Vorteil von Demokratie ist: Ist die Notlage von der Mehrheit erst einmal erkannt, geht es oft ruckzuck. Weil Politiker:innen dann für schnelles Handeln belohnt werden. Das Erleben wir jetzt bei dem Versuch, die Sicherheit Europas in Windeseile ohne die USA zu gewährleisten. Praktisch alle Militärexpert:innen haben die Notwendigkeit einer eigenständigen Verteidigungsbereitschaft des Kontinents lange betont. Wenig war geschehen.
Jetzt beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Russlands Rüstungsindustrie arbeitet auf Hochtouren. Sobald die Waffen in der Ukraine schweigen, braucht Russland keine fünf Jahre um in die Lage zu kommen, ein anderes europäisches Land erfolgreich anzugreifen, sagen Expert:innen. Fünf Jahre sind für den Aufbau eines gemeinsamen europäischen Schutzes von willigen Staaten nicht viel.
Hoffen wir, dass der Vorteil der Demokratie, den Nachteil übertreffen wird.
Pixelökonom 