Die CDU Deutschlands wird heute ihr Wirtschaftswahlprogramm mit dem Namen Agenda2030 verabschieden. Ein wesentlicher Punkt darin: Die Einkommensteuer auf Überstunden soll abgeschafft werden. Wer besonders viel arbeitet, soll nicht auch noch Steuern zahlen. Klingt gut, oder?
Vielleicht klingt es nur gut.
Denn was würden Eltern machen, die ihr Arbeitsleben, Haushalt und Zeit mit Kindern paritätisch aufteilen, etwa indem beide zu 80 Prozent arbeiten, wie würden diese Eltern aufgrund der Steuerfreiheit für Überstunden ihr Familienleben ändern? Und wenn sie alles beim Alten ließen, was würden sie über den Nachbarhaushalt denken, der bei gleichem Bruttoeinkommen deutlich mehr Geld zum Leben hätte, weil der Mann dort 120 Prozent arbeitet und die Frau 40 Prozent? Und wie findet eine solche Steuerfreiheit auf Überstunden die Selbständig in der Wohnung drüber, die regelmäßig mehr als 120 Prozent arbeitet, aber von der CDU-Idee rein gar nichts hätte?
Und wie phantasievoll werden sich nach der Umsetzung der CDU-Idee wohl Arbeitgeber:innen im Schulterschluss mit Arbeitnehmer:innen zeigen, wenn es darum geht, in den Genuss der Steuerfreiheit zu kommen? Reguläre Beschäftigungszeiten und -einkommen werden vermutlich sinken. Mindestens in der Praxis. Denn wer kann denn überprüfen, ob jemand 40 oder 48 Stunden in der Woche gearbeitet hat, wenn sowohl Arbeitgeber:in als auch Arbeitnehmer:in der gleichen Meinung sind, nämlich dass es 48 Stunden waren? Beide Seiten werden dann ihren Schnitt machen. Die Arbeitgeberseite zahlt weniger Brutto, die Arbeitnehmerseite erhält mehr Netto. In die Röhre schauen wird die Gesellschaft in Form geringerer Steuereinnahmen. Noch immer hat die Bereitstellung von Subventionen Wege entstehen lassen, an diese zu kommen.
Und welchen Einfluss hätte eine Steuerfreiheit auf Überstunden auf die Schaffung neuer Stellen, wenn also Mehrarbeit zukünftig an erster Stelle von der bestehenden Belegschaft abgedeckt wird, anstatt Menschen von der Arbeitslosigkeit in die hashtag#Beschäftigung zu holen?
Und was macht die CDU-Idee schließlich mit der Einkommensgerechtigkeit, wenn jene, die tendenziell besser verdienen (weil sie eine 100-Prozent-Stelle haben) zukünftig für zusätzliche Einkommen keinen einzigen Euro Steuern zahlen müssen?
Fazit: Eine Steuerfreiheit auf Überstunden wäre ein Rückschritt beim Thema Gleichberechtigung, wäre ungerecht, weil es jenen Steuerfreiheit gewährt, die tendenziell überdurchschnittlich verdienen, und wäre wirtschaftspolitisch kontraproduktiv, weil es Beschäftigungsaufbau verhindert.
Das ist nicht gerecht CDU, das ist Klientelpolitik! Gute Ordnungspolitik jedenfalls geht anders.