Was ich mir für 2024 wünsche? Weniger „Freunde der Sozialen Marktwirtschaft“

Ich hab eine Frage. Sind Ihre Freund:innen der Sozialen Marktwirtschaft die gleichen, die ich kenne? Oder habe ich mich in den vergangenen Jahren nur falsch sozialisiert?

Meine sind sehr überwiegend männlich, haben mit Muslim:innen genauso so ihre Probleme wie mit den Grünen (vor allem Robert Habeck!), sie finden Atomkraft klasse, Gendern Mist, sprechen viel von „Grundwerten“ und beenden Monologe gerne mit „… Ludwig Erhard würde sich im Grabe umdrehen“.

Kennen Sie auch solche „Freunde der Sozialen Marktwirtschaft“?

Man hat, ist man unter Ihnen, bisweilen das Gefühl, einer religiösen Sekte anzugehören. Sie denken gleich, Zusammenkünfte dienen der Selbstvergewisserung. Wir stehen auf der richtigen Seite! Die Feinde da draußen (sie stehen natürlich links und arbeiten vornehmlich in den Medien) muss bekämpft werden! Und bald täglich steht der Untergang des Abendlandes bevor! Der könne nur abgewendet werden, wenn man endlich auch mal wieder auf die „Freunde der Marktwirtschaft“ hört. Aber die fragt ja keiner (mehr)!

So denken meine „Freunde der Sozialen Marktwirtschaft“. Das ist nicht schön. Für mich nicht. Vor allem nicht für die Soziale Marktwirtschaft. Denn diese ist das Gegenteil solch strukturkonservativen Denkens. Soziale Marktwirtschaft ist ergebnisoffen. Feiert das Bessere als Feind des Guten. Feiert überhaupt das Neue. Neue Menschen. Neue Einflüsse. Neue Kulturen. Soziale Marktwirtschaft verspricht allem Teilnehmenden ein diverses Leben in Selbstverantwortung. Weil jeder und jede seinen und ihren Wünschen folgen kann. Ja, dafür braucht es auch Grundwerte. Die aber sind weder christlich fundiert, noch hängen Weltanschauungen daran. Es braucht nur ganz wenige Regeln. Eigentumsschutz, Recht auf Teilnahme am Wettbewerb. Solche. Tugendregeln jedenfalls nicht, Marktliche Gesellschaften funktionieren besser ohne sie.

Das ist gerade das Wunderbare. Dass Wohlstand vornehmlich nicht durch das Festlegen geneinsamer Werte und Ziele entsteht, sondern dem Verfolgen eigener Interessen. Und wenn es schief läuft, fängt die Gesellschaft einen auf. Das ist Soziale Marktwirtschaft.

Wer assoziiert so etwas in Deutschland mit diesem Begriff?

Vielmehr, so meine Wahrnehmung, haben jene den Begriff okkupiert, die größtes Interesse daran haben, dass alles so bleibt wie es ist. Jene, die es geschafft haben. Die viel zu verlieren hätten, wenn das Neue in die Welt käme. Status und Reichtum um genau zu sein. Viel Geld wird deshalb dafür ausgegeben, so zu tun, als stehe man für Veränderung. Dabei wird versucht, die Gegenwart zu zementieren.

Aber die bröckelt an allen Ecken und Enden. Verbrennermotoren, Kernkraft, Leitkultur. Alles ist bedroht. Zum Glück. Das Neue drängt in die Welt. Die „Freunde der Sozialen Marktwirtschaft“ versuchen es aufzuhalten. Gut möglich, dass die Soziale Marktwirtschaft sie vergessen lassen wird.

One thought on “Was ich mir für 2024 wünsche? Weniger „Freunde der Sozialen Marktwirtschaft“

  1. Ich bin dann tatsächlich so ein “Freund der Sozialen Marktwirtschaft” (obwohl ich mich nie so nennen würde, weil ein Gewerkschafter und ein Unternehmer sich darunter völlig verschiedene Dinge vorstellen können). Ich bin männlich, habe mit einem Teil der Muslime (bei dem ich befürchte, dass er größer ist, als ich es mir wünsche) tatsächlich so meine Probleme, mit den Grünen noch viel mehr, ich bevorzuge Atomenergie gegenüber Braunkohle und Stromausfall, und für mich ist Gendern nur eine rituelle Form des Virtue Signalling ohne in der Sache haltbare Begründung, die von einer Minderheit den Deutsch Sprechenden fast auf Kommando aufgedrückt wird. “Grundwerte” hingegen sind nicht so mein Steckenpferd. Ich halte allerdings das Böckenförde-Diktum für beachtenswert. Und Ludwig Erhard wäre tatsächlich kein Freund der heutigen Zustände, aber ich wüsste nicht, was der Verweis auf ihn bringen sollte.

    Neues ist nicht deswegen gut, weil es neu ist. Erst recht nicht, wenn diejenigen, die das Neue mal mit schönen Worten, mal mit einem variierendem Maß an Gewalt durchdrücken wollen, weil es zu ihrer Agenda passt, mit der sie die Gesellschaft ändern oder “transformieren” wollen. Das hat die Geschichte genug bewiesen.

    Es ist nicht rational, sich Neuem schlechthin zu verweigern, aber dass man eine Begründung braucht, um es gegenüber dem Bekannten zu präferieren, halte ich ebenso für rational. Und mit den Begründungen ist das auch so eine Sache. Den einen überzeugen sie, den anderen nicht.

    Daher mögen Sie sich von uns “Freunden” genervt fühlen. Aber seien Sie versichert: Das geht zumindest mir genauso mit denen, die bedenkenlos jeder Mode hinterherrennen, weil sich das so gut anfühlt. In einer Demokratie müssen wir trotzdem miteinander zurechtkommen.

    Somit wünsche ich Ihnen ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr!

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