Die Soziale Marktwirtschaft ist in die Jahre gekommen. Wer war Ludwig Erhard? Was war das deutsche Wirtschaftswunder? Die Zeit verblasst die Erfolge. Den Rest erledigen jene, die sich angeblich für die Marktwirtschaft einsetzen, aber die Ergebnisse von Wettbewerb, der im Wesen progressiv ist, verachten.
Was meine ich damit?
Marktwirtschaft ist konservativ und progressiv zugleich.
Die Struktur, der Rahmen, die Spielregeln, alles was dafür sorgt, dass Märkte entstehen und erhalten bleiben, dass also Menschen ihren Interessen folgen, in Märkte eintreten und an diesen teilnehmen können, ist stetig und bleibend.
Das heißt nicht, dass die Struktur sich bisweilen nicht an Veränderungen anpassen muss. Der Klimawandel infolge der Verbrennung großer Teile der fossilen Ressourcen in relativ kurzer Zeit bedingt eine solche Anpassung. Erfolgt die Anpassung klug, hilft die Marktwirtschaft Klimaschutz bestmöglich zu betreiben. Dann wird der CO2-Ausstoß durch staatliche Vorgaben im Zeitverlauf reduziert und über den Marktmechanismus (etwa in Form eines Zertifikatehandels für Emissionen) sichergestellt, dass die sinkende Ausstoßmenge den größtmöglichen gesellschaftlichen Nutzen stiftet, indem die Zertifikate auf Märkten gehandelt und meistbietend von jenen gekauft werden, die damit den größten wirtschaftlichen Nutzen schaffen.
Auch die Struktur von Marktwirtschaft braucht also Adaption, aber wohl überlegt und eher gelegentlich. Wie gesagt, sie ist im Kern konservativ.
Ganz anders die Märkte selbst. Der Wettbewerb darin ist nicht nur Folge individueller Freiheit (wenn jede(r) selbst bestimmen kann, was er/sie macht, trifft man automatisch auf andere, die ähnliches tun), sondern die wichtigste Voraussetzung von Wohlstand. Das Konservative hat darin einen schweren Stand. Im Wettbewerb ist das Bessere der Feind des Guten. Was gestern noch State of the Art war, ist morgen von gestern. Der scharfe Wettbewerb auf den Märkten zwingt dabei die UnternehmerInnen sich stets zu hinterfragen, neu zu justieren, (unbequeme) Veränderungen vorzunehmen – immer mit dem Ziel, KundInneninteressen zu bedienen. Wer nicht schnell genug ist, verliert den Anschluss. Die Kundschaft wendet sich ab, das Unternehmen wird aus dem Markt gedrängt.
Es sei denn, es hat zuvor seine (Markt)Macht an anderer Stelle genutzt.
Denn nicht immer versuchen jene, die im Markt etabliert sind, sich nur dadurch im Markt zu halten, indem sie durch harte und kluge Arbeit ihren Innovationsvorsprung bewahren. Ihnen steht bisweilen noch eine zweite Möglichkeit offen: die Politik. Sie versuchen dann Einfluss zu nehmen. Mit vermeintlich guten Gründen wird die Politik dazu bewegt, den Marktzutritt (für andere) zu erschweren. Das Neue, das Progressive, das „anders Gedachte“ bekommt dann keine Chance. Die Besitzstandswahrer, die „So haben wir es schon immer gemacht!“-Sager, die „Wo kämen wir denn da hin?“-Angstmacher dominieren erst den Zugang zur Politik, dann den zum Markt.
Sie sprechen davon, dass die Soziale Marktwirtschaft erhalten bleiben muss, beschwören Ludwig Erhard, sehen die Marktwirtschaft der Gegenwart „den Bach runter gehen“, dabei sind sie Teil des Problems statt der Lösung. Sie schaffen keine besseren Strukturen, vielmehr sind sie Marktteilnehmende, die den Anschluss verlieren, die nicht mehr mitkommen, und deshalb bewahren wollen, was sie gut kennen, damit ihre Produkte und Dienstleistungen (und bisweilen auch ihre gesellschaftlichen Vorstellungen) ihren Wert behalten. Sie waren gekommen um zu bleiben. Sie sind mächtig geworden. Sie möchten diese Macht bewahren.
Der Wettbewerb aber ist der Feind der Mächtigen. Genauer gesagt, gibt er die Macht in die Hand der KundInnen. Man könnte auch sagen: des Volkes. Und das ist gut so. Nirgendwo und zu keiner Zeit hat die Zementierung von Macht in den Händen Weniger zu etwas Gutem geführt, nicht in der Wirtschaft, schon gar nicht in der Politik.
Sich für Wettbewerb einzusetzen, ist deshalb moralische Pflicht. Wettbewerb braucht Schutz. Vor jenen, die sagen, sie wollen das Gute bewahren und dabei nur danach trachten, das zu konservieren, was ihnen nutzt. Diese Scharaden zu entlarven, ist eine Verantwortung, die jede(r) trägt, wer von ihnen weiß. Es geht dabei um unseren Wohlstand. Es geht um unsere Freiheit.