Youtube ist größer: Warum ich (kein) Finanzberater werden will

Wer als Ökonom in seinem Leben etwas erfahrbar Sinnvolles machen will, sollte Finanzberater werden. Seriöser Finanzberater. Einer, der sich von seinen Kunden bezahlen lässt. Nicht von den Anbietern von Geldanlage. Der am besten die Motivation mitbringt, Menschen vor dem finanziellen Untergang bewahren zu wollen. Vor allem ältere Menschen. Die sind besonders gefährdet. Sie haben Zeit und Geld. Es wäre (für) eine gute Sache. Vielleicht auch eine aussichtslose.

Ich komme aus Gründen auf das Thema. Das Internet – vor allem Youtube – ist voll mit Themen über die vermeintlich richtige Geldanlage. Ich weiß das. Ich bekomme seit einiger Zeit von einem älteren Menschen, den ich sehr gut kenne, solche Videos auf WhatsApp zugeschickt. Wie es mit dem Euro weitergehe, werde ich gefragt. Ob das Geld noch sicher sei. Ob man nicht doch in Gold gehen solle.

Vor allem das Gold scheint eine magische Anziehungskraft zu haben. Immer wieder kommt mein Gesprächspartner darauf. Als sei Gold der Problemlöser für alles. Vielleicht suchen ältere Menschen in der knapper werdenden Lebenszeit etwas Dauerhaftes. Gold als gutes Gefühl.

Die Verkaufsmethoden bewahren dagegen stets den Schein der Seriosität. Zum Beispiel dieses Video, das eben auf meinem Handy eintraf:

Eine Firma, die augenscheinlich ihr Geld damit verdient, Edelmetalle zu verkaufen, lädt einen Redner mit schickem Anzug und Powerpoint-Präsentation ein, und lässt ihn den wirtschaftlichen Weltuntergang Ende 2020 verkünden. Die wenig versteckte Botschaft: Leute, kauft Gold!

Was ich vom Goldkauf halte, werde ich darauf von meinem WhatsApp-Gesprächspartner zum gefühlt 20. Mal gefragt. Ich antworte mit einer Gegenfrage. Ob er schon mal Metzger dafür habe werben sehen, dass Menschen mehr Obst und Gemüse essen sollen? Oder Papiertütenhersteller für die Vorzüge von Plastik? Oder Autohersteller für die Vorteile des ÖPNV?

Ich argumentiere, dass Immobielien-Anbieter in der Regel sagen würden, dass nichts sicherer sei als die eigenen vier Wände. Dass Banken Finanzprodukte verkauften, in denen sich Provisionen gut verstecken lassen und dass Anbieter von Edelmetallen eben gerne den Weltuntergang verkünden würden, weil dann die Menschen Gold unters Kopfkissen legen würden.

Ich sage meinem WhatsApp-Gesprächspartner, dass wenn man verstehen wolle, was für wen zu welchem Zeitpunkt im Leben die richtige Geldanlage sei, dass man sich dann nicht an die Verkäufer wenden dürfe. Dass man sich vielmehr an jene halten müsse, die mit der Aufklärung ihr Geld verdienten, zum Beispiel die Stiftung Warentest. Gute Literatur gäbe es in Hülle und Fülle.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Gesprächspartner nicht den Weg zum Buchhandel einschlägt. Weil er es bisher auch nie getan hat. Vielleicht weil der Aufwand sich zu bilden, groß ist. Vielleicht weil man am Ende gar nicht wirklich verstehen will. Ich weiß es nicht.

Ein Trost: Wie bei vielen Deutschen steckt auch bei meinem WhatsApp-Gesprächspartner der Großteil des Vermögens in den eigenen vier Wänden. Die sind bekanntlich immobil. Und das ist in dem Fall ein Glück.

Die Erfahrung lehrt mich allerdings, dass mein WhatsApp-Gesprächspartner weiter darüber nachdenken wird, wie er die wenigen tausend Euro, die er flexibel zur Verfügung hat, anders anlegen kann, als sie unverzinst auf einem Unterkonto seines Griokontos liegen zu lassen. Ich sage ihm, dass das wenige Geld an dieser Stelle nicht schlecht aufgehoben sei. Dass es dadurch zum Beispiel schnell verfügbar sei. Es hilft nichts. Es lässt ihm keine Ruhe. Immer wieder kommen die gleichen Fragen, werden ähnliche Videos geschaut – und verschickt. Ich scheine nicht helfen zu können. Youtube ist größer.

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