Eine weitverbreitete These nach dem Ende des kalten Krieges lautete, dass wirtschaftliche Freiheit weitergehenden gesellschaftlichen Freiheiten vorangeht. Der Handel mit undemokratischen Ländern wurde so begründet. Der länderübergreifende Austausch öffne den Menschen in unterdrückten Staaten nicht nur den Blick auf begehrenswerte westliche Freiheiten, der Wohlstandsanstieg gebe den Menschen auch die (finanziellen) Möglichkeiten, sich besser zu informieren und zu organisieren. Das erhöhe den Druck auf Despoten.
Kurz gesagt, so lautete die These, ließen sich reiche Menschen nicht so leicht unterdrücken wie arme.
Die Gegenwart straft diese Vorstellung Lügen. Unter Parteichef Xi Jinping ist China noch einmal deutlich repressiver geworden. In Russland hat Wladimir Putin eine Scheindemokratie errichtet, und die Türkei – und mit Abstand Polen – bewegt sich de facto in Richtung Diktatur. Wirtschaftliche Freiheit ist häufig die einzige, welche den Menschen geblieben ist.
Warum? Was ist aus der These nach Ende des kalten Krieges geworden? Die Antwort ist möglicherweise trivial: Wirtschaftlicher Fortschritt (Wohlstandsanstieg) sichert die Macht der Machthabenden (wem es gut geht, der rebelliert seltener), während andere Freiheiten, vor allem politische, die Wahrscheinlichkeit des Machtverlustes erhöht.
Machthaber haben also ein gewisses Interesse an wirtschaftlicher Freiheit. Um so mehr, weil es autoritären Führern zunehmend gelingt, die mit dem Wohlstand wachsenden Informationsmöglichkeiten zu unterbinden beziehungsweise sie für ihre Zwecke zu nutzen: in dem sie Propaganda senden, kritische Kommunikation mit technischen Mitteln verhindern (in China gibt es weder Google, noch Twitter, noch westliche Nachrichtenwebseiten) und den technischen Fortschritt zum Aushorchen der Opposition einsetzen. Die Stasi von heute steckt in der Rechenleistung weniger Computer.
Und weil in Demokratien das Gewaltmonopol beim Staat liegt, fehlt den Bürgern weitgehend die Möglichkeit, sich gewaltsam gegen den Weg in die Diktatur zu wehren. Und so scheint es immer schwieriger zu werden, gegen jene Machthaber vorzugehen, denen es in allererster Linie darum geht, die Macht mit allen Mitteln zu erhalten. Zumal sie wissen, dass es aktuell an länderübergreifendem Allianzen fehlt, die sich wehrhaft gegen die Zerstörung von Demokratien zeigen.
Was folgt aus dieser Erkenntnis? Wenn wirtschaftlicher Fortschritt totalitäre Systeme stützt, müssen dann die demokratischen Staaten die wirtschaftliche Zusammenarbeit verbieten? Oder stärken solche Verbote gerade repressive Machthaber, weil sich sich damit einen äußeren Feind erschaffen können, den sich noch jede Diktatur gezimmert hat?
Mit wirtschaftlicher Freiheit jedenfalls wendet sich der Weltenlauf nicht automatisch zum Guten. Vielleicht war diese Vorstellung auch nie etwas anderes als die Hybris mancher Ökonomen.
Was Dambisa Moyo dazu bei einem TED-Talk sagte: https://www.youtube.com/watch?v=4Q2aznfmcYU
LikeLike
Ihre Analyse ist korrekt, übersieht aber ggf. einen Punkt. Wirtschaftliche Freiheit scheint mir die wichtigste Freiheit von allen Freiheiten zu sein. Ohne wirtschaftliche Freiheit scheinen zudem die anderen Freiheiten gar nicht realisierbar zu sein. Wirtschaftliche Freiheit ist vielleicht sogar DIE Grundvoraussetzung für alle anderen Freiheiten.
LikeLike