Eine funktionierende Demokratie benötigt im Kern Gewaltenteilung: ein Parlament, das beschließt, eine Regierung, die ausführt, ein Gericht, das kontrolliert. An dieser Gewaltenteilung fehlt es bekanntlich in der Europäischen Union. Beschlossen wird vor allem auf exekutiver Ebene, also von den Regierungschefs und der Kommission.
“Wir geben uns seit Jahren der Illusion hin, dass die ehrwürdige Theorie der Gewaltenteilung in der EU nicht anzuwenden sei”, schreibt Prof. Dr. Thomas Apolte heute in “Die Ordnung der Wirtschaft”. Und weiter: “Nun kann man zweifelsfrei eine Gemeinschaft gründen, die einerseits über ein umfängliches Repertoire hoheitlicher Macht inklusiver bindender Gesetzgebungskompetenz und höchstrichterlicher Normenkontrolle verfügt, die sich dabei aber um die Regeln der klassischen Gewaltenteilung nicht scheren muss; eine Gemeinschaft, in der die Kompetenzen vielmehr kreuz und quer verteilt sind und in der am Ende doch immer alles, was wichtig ist, in den Händen einiger weniger Personen zusammenläuft, noch dazu fast ausschließlich auf exekutiver Ebene, ganz gleich, um welche Art von Befugnissen es sich jeweils handelt. Man kann damit aber nicht zugleich die zwingenden Gründe dafür abschaffen, dass es eine schlechte Idee ist, so etwas zu tun.” Und deswegen brauche sich keiner wundern, so der Professor für Ökonomische Politikanalyse an der Uni Münster, wenn uns die EU “eines Tages um die Ohren fliegen wird.”
Man könnte jetzt sagen, na gut, dann lasst uns eine funktionierende Gewaltenteilung in Europa aufbauen. Das Problem: Damit Parlamentarismus funktionieren kann, braucht es eine gemeinsame Öffentlichkeit, eine gemeinsame Informationsbasis, am besten eine gemeinsame Sprache, in der sich ein Meinungsbildungsprozess vollzieht. Nur so spiegeln Mehrheitsentscheidungen im Parlament letztlich den Bevölkerungswillen wieder. Eine solche, in gewisser Weise homogene Gesellschaft, fehlt aber in Europa. “Wenn es also einerseits schwierig bis unmöglich ist, die EU-Institutionen in den Rahmen der klassischen Gewaltenteilung zu fassen, genau dies aber andererseits vor dem Hintergrund des Standes der Vergemeinschaftung hoheitlicher Aufgaben eigentlich unverzichtbar ist, wo ist dann der Ausweg?”, fragt Apolte.
Der ist mindestens schwierig, weil der Karren im Dreck steckt. Weil es schon lange keine checks and balances gibt und die nationalstaatlichen Exekutiven deshalb in jeder Krise zur persönlichen Verantwortung gezogen werden, werden diese regelmäßig dazu verleitet, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, wodurch jetzt jeder “in kollektiver Verantwortungslosigkeit die Hand in den Taschen des anderen” habe, so Apolte.
Wie es seiner Meinung nach hätte anders laufen sollen: Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wäre die Fortentwicklung der EU-Institutionen zum zentralen Projekt gemacht worden und zwar in Richtung auf klassische Gewaltenteilung und Föderalismus. Das aber sei nicht nur deshalb nicht geschehen, weil die Exekutive den Machtverlust nicht hinnehmen wollte, sondern weil diese von den Dezentralisierungsbefürwortern unterstützt wurde, die verhindern wollten, dass zu viel Macht nach Brüssel wandert.
Was kann man jetzt tun? Apolte bietet leider kein politisches Rezept für einen erfolgsversprechenden Reformprozess, er weiß lediglich, wie die Veränderung grundsätzlich aussehen sollte. In erster Linie freilich müssten die Strukturen verändert werden. Wenn zu diesem Zweck die Kompetenzen zurückverlagert werden müssten, so Apolte, dann sei das vielleicht schmerzhaft, aber notwendig. Denn: „Wir sind dazu verdammt, die EU zu erhalten. Es wäre eine Katastrophe, wenn sie unterginge.”
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Die EU-Zentralisten werden niemals klein beigeben. Ihr höchstes Ziel ist der Gemeinsame Markt – eine bizarre Falschprioisierung. Sie haben aus rein ideologischen Gründen das Land ziehen lassen, das in 30-50 Jahren der größte europäische Staat sein wird, und der Türkei vor 15 Jahren die kalte Schulter gezeigt. Ich glaube, mit dieser EU wird Europa seine globale Bedeutung in den nächsten Jahrzehnten Stück für Stück reduzieren.
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