Was der Boom bei der Nachhilfe über das deutsche Schulsystem sagt

Wie sähen Schulen unter Wettbewerb aus? // Photo by Krzysztof Pacholak (CC)
Bildungsabschluss und beruflicher Erfolg hängen in Deutschland weiterhin stark von der sozialen Herkunft ab. So unerwünscht eine vollständige Entkoppelung von Lebenslauf und Familie beziehungsweise sozialer Herkunft wäre (was sich darin zeigt, dass dies in letzter Konsequenz nur bei einer Trennung von Eltern und Kind nach der Geburt möglich wäre), so fragwürdig sind Aufstiegsbegrenzungen, die sich dadurch ergeben, dass Bildungsangebote suboptimal sind. 

Und das sind sie in Deutschland. Denn Monopole sind nie optimal. Nicht für die Konsumenten jedenfalls. Monopolisten fehlt es im Kern an Angebotsvielfalt und der Motivation besser zu werden. 

Wo es an Alternativen durch Wettebewerber fehlt, müssen Nischen nicht besetzt werden und sind Verbesserungen nicht nötig. Eine Auswirkung im deutschen Schulsystem: Wer es sich leisten kann, schert aus dem Angebotsmonopol aus und finanziert seinem Nachwuchs private Bildung, wie etwa die hohe Nachfrage nach Nachhilfe belegt (Umsatz der Branche pro Jahr: rund 1,5 Milliarden Euro). 

Die Folge: Bestehende soziale Verhältnisse werden zementiert, wenn sich vor allem Besserverdiener private Nachhilfe leisten (können). Denn machen Kinder aus Besserverdienerhaushalten bessere Abschlüsse, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit eigener höhere Einkommen in der Zukunft. Eine weitere Folge: Der Druck von Politik und Eltern bezüglich Verbesserungen an staatlichen Schulen nimmt ab, wenn die Durchschnittleistung dank der privaten Nachhilfe steigt. 

Zum Leidwesen der finanziell und sozial schlechter Gestellten. Denen würde ein Wettbewerb zwischen Bildungseinrichtungen am meisten helfen. Denn mit einem mit Bildungsgutscheinen durch den Steuerzahler finanzierten Schulsystem würde es für die Bildungsträger interessant, ihre Angebote an den unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer Schüler auszurichten. 

Die Anbieter müssten plötzlich um ihre Kunden werben. Es wäre wie bei der Liberalisierung des Telefonmarktes: Die Menschen hätten damit zu kämpfen, sich einen Überblick über die zahlreichen Angebote der Anbieter zu verschaffen, der Lohn aber wären passende, günstige und bessere Angebote. Es gäbe nur einen Unterschied zum Bildungsmarkt: Bildung ist noch wichtiger als Kommunikation. 

5 thoughts on “Was der Boom bei der Nachhilfe über das deutsche Schulsystem sagt

  1. “Für mich gehen die Lerninhalte einfach zunehmend an der Wirklichkeit vorbei.”

    Sehr diplomatisch ausgedrückt, “B” wie Bankenmärchen (ein recht passender Name übrigens). Genau das (!) und nichts anderes ist der Grund, warum Schüler und Abiturienten/Studenten (in der Regel) trotz “guter Noten” (die einen scheiß bedeuten), es im Leben zu weniger bringen, als wenn sie über die essentiellen Dinge “da draußen” belehrt würden…

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  2. Für mich gehen die Lerninhalte einfach zunehmend an der Wirklichkeit vorbei. Klar ist es notwendig eine breite Basis zu schaffen. Aber ich wende heute vlt. noch einen Bruchteil meines erlernten Wissens an. Schaut euch die Menschen und ihren Umgang mit Finanzen an. Warum betreibe ich einen Finanzblog? Weil die Menschen jeden Kram gelernt haben aber keine Ahnung von Geld haben. Erschreckend. Die Deutschen sind in Europa – in finanzieller Hinsicht – mit Abstand die größten Finanzanalphabeten.

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  3. Problem am Schulsystem ist die Anforderung: Jeder soll Abitur haben und studieren. Ich hatte das Glück, auf eine gute Grundschule zu gehen. Mathe, Deutsch, Sachkunde, Musik waren dabei die wichtigen Fächer. Meistens nur 4 Schulstunden am Tag und viel Freizeit. Jetzt pumpen Eltern ihre Kinder mit Fußball, Klavier und Englischunterricht in der Freizeit zu. Kinder dürfen nicht mehr Kind sein. Kinder haben unterschiedliche Aufnahmefähigkeiten. Trotzdem zwingen Eltern ihre Kinder aufs Gymnasium. Lieber 2x sitzen bleiben als auf die Realschule zu wechseln. Hat das Kind schlechte Noten, sind die Lehrer Schuld. Aus Angst vor Ärger werden die Jugendlichen durch die Schule gewunken und können trotz Abschluss nicht viel. Keine Rechtschreibung, kein Dreisatz.

    Das Kind versucht mit einem 3,5er Abitur zu studieren und verschwenden Jahre ihres Lebens, weil sie ein technisches Studium nicht schaffen und mit sozialen/sprachlich orientierten Fächern keinen Job finden.

    Ich wähle bei uns die Azubis aus. Man hat eigentlich nur die Wahl zwischen Schul- und Studiumsabbrechern. Da bringt auch alle Nachhilfe durch die Eltern nichts. Die Kinder lernen nicht, eigene Entscheidungen zu treffen, weil die Eltern sogar die Berufswahl übernehmen und in einzelnen Fällen noch die Bewerbungen schreiben. Man muss Kindern stattdessen früh ein Einblick in die Arbeitswelt geben (wird mittlerweile immer mehr gemacht) und die Schulform danach ausrichten. Mit Spaß werden auch die Noten wieder besser. Und einem angemessenen Umfang an Hausaufgaben.

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  4. leider kann ich ihnen überhaupt nicht zustimmen. Viel Mühe scheinen sie sich auch nicht gemacht zu haben, in ihrem 354 Wörter langen Versuch, etwas (vorsätzlich negatives) über Schule zu sagen.
    Selbst wenn ich ihrer Grundthese, dass dem Schulwesen etwas Konkurrenz gut tun würde, durchaus zustimme, wirken die Argumente ziemlich weit hergeholt. Insbesondere die Aussage, dass die Eltern Nachhilfe bezahlen, weil sie mit der Qualität der Schulbildung nicht zufrieden seien ist… neutral ausgedrückt nicht sonderlich plausibel. Nachhilfe bezahlen Eltern, weil ihre Kinder mit der Wettbewerbssituation und den Anforderungen innerhalb der Klasse nicht klarkommen. Ich könnte gemäß ihrer Argumentation analog für die Wirtschaft behaupten, dass alle Unternehmen, die sich externe Berater ins Haus holen(McKinsey und Konsorten) dies tun, weil sie mit dem Wirtschsftssystem unzufrieden sind. Das ist natürlich Quatsch, genau so wie die Nachhilfe These.
    Den Schulen (und Schülern, und Eltern, und Lehrern) helfen würden kleinere Klassen, größere Führungsbefugnisse für Schulleiter und Möglichkeiten der Selektion bei den Lehrer: wer nicht taugt sollte durchaus erseztbar sein.

    Gespannt wäre ich auch darauf, wie sie als gutgelaunter Verfechter des freien Marktes im Bildungswesen auf die Insolvenz ihres Bildungsträgers zum Halbjahr (ja, das gibt es dann wohl auch), auf die Abwerbung ihres Lieblingslehrers durch eine andere Einrichtung (ja, das gibt es dann wohl auch) oder auf allerlei Tricks und Kniffe zur Einnahmenoptimierung seitens der Schule (auch das könnte es mal geben) reagieren werden.

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    1. Hallo Dominik,
      ich würde mich als gutgelaunter Verfechter des freien Marktes bei Insolvenz oder Abewerbung eines Lehrers erst ärgern und kurz danach auch schon wieder freuen können, weil es genug andere Bildungsträger und Bildende gibt, die – weil Leistung sich lohnt – einen tollen Job machen. :-)
      Gruß
      Johannes (Eber)

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