Wir leben in einer Überflussgesellschaft lautet eine gängige Konsumkritik, die meint, dass wir mehr haben als wir brauchen. Das ist erstens eine Anmaßung und zweitens insofern falsch, dass der Überfluss in Form des Überschusses zwingende Voraussetzung für ein Leben in jeder Ausprägung von Wohlstand ist. Selbst des geringen Wohlstands.
Wohlstand ohne Überschuss ist schlicht nicht möglich. Wir würden sonst noch immer von der Hand in den Mund leben. Beispiel Europa: Erst als es den Bauern im Mittelalter gelang, das Saat-Ernteverhältnis von 1:2 auf 1:5 zu steigern, sie folglich mehr ernteten als sie für das eigene Leben benötigten, konnte sich eine nicht-agraische Spezialisierung entwickeln, konnten Produkte gegen Lebensmittel getauscht werden.
Der Überschuss also ist die Voraussetzung für ein besseres Leben. Nur wer mehr erwirtschaftet als er zum Leben braucht, kann den Überschuss gegen etwas tauschen, was er nicht selbst herstellen kann. Dann kann er lecker essen gehen, sich von einem Arzt behandeln lassen oder in den Urlaub fahren. Was davon die Menschen wirklich brauchen, kann am besten – und sollte daher – nur jeder für sich selbst entscheiden.
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Lieber Johannes,
ich bin der Meinung, dass wir tatsächlich in einer Überflussgesellschaft leben und viele, manchmal zu viele Konsum-Optionen haben. Es mag sein, dass ein gewisser Überfluss wirtschaftlich nötig ist. Leider wird dieser für uns Menschen im Westen oft von Menschen aus Entwicklungsländern produziert, die nie in ihrem Leben in den Urlaub fahren können, schlecht ernährt sind und zu Hungerlöhnen arbeiten müssen. Durch den Überfluss werden jedes Jahr auch große Mengen an Essen weggeworfen. Tiere werden unnötig getötet und in unserer industrialisierten Massenproduktion manchmal abgeschlachtet nur um das Fleisch anschließend wegzuwerfen. Dein kurzer Text behandelt eine meiner Meinung nach sehr einseitige Sichtweise. Darüber könnte man Stunden diskutieren. Mir fehlt dazu aktuell jedoch der wissenschaftliche Faktenhintergrund und die Zeit, um mich weiter einzuarbeiten. Wissenschaftliche Quellen und Studien würden jedoch auch diesem kurzen Text gut tun. Den Ansatz finde ich nämlich spannend. Mich würde ein Artikel interessieren, der mehr in die Tiefe geht.
Viele Grüße, Anna
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Liebe Anna,
ich bin zwar nicht der Johannes, hätte aber trotzdem was in die Runde zu heulen…
Dass Überfluss “wirtschaftlich notwendig” sei, halte ich für eine falsche Annahme. Oder für eine willkürliche. “Wirtschaftlich notwendig” ist im Prinzip gar nichts. Aber in einer Marktwirtschaft treffen eben diverse Wünsche von Nachfragern und Anbietern zusammen, und die bestimmen dann, was letztlich produziert und konsumiert wird.
Es ist außerdem schon kaum willkürfrei möglich, überhaupt zu bestimmen, was “Überfluss” denn sein soll. Mehr als wir wollen wohl kaum. Mehr als wir brauchen? Wer bestimmt dann, was wir zu brauchen haben?
Aber selbst gesetzt den Fall, wir könnten definieren, was “Überfluss” ist – woher weißt du, dass es genau dieses “Zuviel” ist, dass von Menschen in Entwicklungsländern produziert wird? Wäre nicht eher z.B. eine Rolex “Überfluss”? Die kommt dann aber aus einem Land, das von der Klassifizierung “Entwicklungsland” nicht weiter entfernt sein könnte.
Aber selbst gesetzt den Fall, Menschen in Entwicklungsländern produzierten für uns zu “Hungerlöhnen” nichts als “Überfluss” – wäre es besser, sie täten es nicht? Was wäre deren Alternative? Werden diese Menschen denn mit Gewalt in Produktionsstätten getrieben, die Güter für den Export herstellen? Oder nehmen sie diese Jobs, so übel sie für uns “im Überfluss lebenden” Menschen aussehen mögen, nicht eher an, weil es für sie eine Verbesserung darstellt?
Das Wegwerfen von Nahrung mag uns aus prinzipiellen Gründen stören. Aber letztlich ist es auch hier so, dass diese Nahrung niemandem weggenommen wird. Sie wird vielleicht “im Überfluss” produziert, aber wenn dies nicht geschieht, verlassen Kunden die Läden, ohne ihr gewünschtes Produkt bekommen zu haben. Bald wäre von “Nahrungsmittelknappheit” die Rede. Sicher ist es zu begrüßen, wenn die Politik es schaffen könnte, das durch die von ihr eingeführte Pflicht zu “Mindesthaltbarkeit” selbst geschaffene Problem zu entschärfen. Und unter uns Pfarrerstöchtern können wir uns auch sicher darauf einigen, dass man als Kunde nicht einen Apfel verschmähen sollte, der nicht so ideal aussieht wie wir uns das vielleicht wünschen. Aber letzteres z.B. hängt nur von uns ab, da kann ein Ökonom nur wenig dazu beitragen.
Bleibt der Punkt: Welche Frage soll durch die von dir gewünschten Studien eigentlich konkret beantwortet werden?
Viele Grüße
Werwohl(f)
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