Die Leiden der jungen Medien: Warum das Internet keine Qualitätsauswahl braucht

Internet-Map: Eine Vernetzung gleichberechtigter Akteure // Foto: Steve Jurvetson (CC BY 2.0)
Internet-Map: Vernetzung gleichberechtigter Akteure. // Foto: Steve Jurvetson (CC BY 2.0)

Mathias Müller von Blumencron träumt von der Wahrheitsmaschine. Das Internet erfahre “derzeit seine erste wirkliche Bewährungsprobe”, schreibt der FAZ-“Chefredakteur digitale Produkte”  (Kann man Chef über Produkte sein?) heute in der FAZ. Der Grund: Das Internet habe sich zum Massenmedium gewandelt und sei damit zu einer “gigantischen Emotionsmaschine” geworden, “bei der nicht Erkenntnis im Vordergrund steht, sondern pralle Unterhaltung nach den Regeln des Boulevards.” Ein “Geschäftsmodell für Wahrheit” gäbe es im Internet genauso wenig, wie eines für “Konsens” oder “die Förderung der Vernunft”, leidet Blumencron.

Die typischen Leiden einer Printzeitung im digitalen Zeitalter, könnte man beschwichtigend sagen. Tendenzjournalismus, wäre eine kritischere (Ein-Wort-)Anmerkung.

Was mir missfällt: die Tendenz zum Hochstatus, der sich in der Unterstellung offenbart, dass Menschen grundsätzlich nicht in der Lage seien, sich über die Qualität von Inhalten selbst ein Bild zu machen. Oder anders gesagt: Blumencron überstülpt das Internet mit dem typischen Kulturpessimismus des Feuilletons. Er fordert im Internet “Signale der Qualität”, die freilich “mit großer Sorgfalt ausgearbeitet” werden müssten (damit FAZ-Artikel stets an der Spitze der Google-Suchtreffer-Listen landen?).

“Signale”, das klingt unverdächtig. Aber wie zu diesen Signalen kommen? Nach welchen Maßstäben? Und was passiert mit Inhalten, die solchen – wie auch immer erstellten – Signalen nicht genügen? Die Zensur freut sich in der Ferne und kommt tapsend näher.

“Die Social Feeds der großen Netzwerke transportieren Propaganda und schlichten Unsinn auf gleicher Ebene wie sorgfältig erarbeitete Berichte” schreibt Blumencron. Das ist richtig. Zum Glück. Denn damit liegt die Entscheidung, welche Inhalte Verbreitung finden, beim Nutzer. Er teilt und schafft Reichweite für jene Inhalte, die er für gut erachtet, auch für qualitativ gut erachtet.

So funktioniert das Internet: Was gleichberechtigt ins Netz wandert, wird durch deren Teilnehmer gewichtet, nicht durch Institutionen. Pressefreiheit auf höchster Ebene, sozusagen. Keine Stände, keine Privilegien. Die (Internet-)Welt als gleichberechtigter Ort.

Das können nur Status-Quo-Verlierer nicht gut finden.

Dass die Zeitungen ihre Gatekeeper-Funktion verloren haben, ist bedauerlich für die Zeitungen, dass die klassischen Medien die Hüter von Wahrheit und Aufrichtigkeit waren, ist eine Erfindung der Medien selbst. Das Zeitschriftenregal im Edeka-Markt meiner Heimatstadt in den 80er Jahren erzählt eine andere Geschichte.

Deshalb: Vertrauen wir den Marktkräften. Wenn Qualität und Glaubwürdigkeit gesucht wird, dann wird sie auch gefunden werden. Auch weil jene, die Qualität anbieten, sich aus Eigeninteresse für deren Vermittlung einsetzen. Warum sollte dies Daimler gelingen, der FAZ aber nicht?

Und: Vertrauen wir der Vernunft, indem wir den Menschen die Möglichkeiten zur Befähigung zur eigenen Urteilskraft geben. Daran freilich lässt sich arbeiten. An der Beförderung des ureigenen Wunsches, richtige, also einen selbst vorwärts bringende Entscheidungen treffen zu können. Eine solche Urteilskraft ist die vielleicht wichtigste Voraussetzungen autonomen Lebens. Sie liegt also im Interesse jedes Einzelnen. Aber wird sie nachhaltig gefördert? Wie bedeutsam ist sie im (Schul-)Leben? Zählt dort häufig nicht noch immer das Prinzip “Aufnahme und Wiedergabe”?

Der Weg zu einem inhaltlich qualitativeren Internet führt über vielfältige pädagogische und Bildungs-Angebote und nicht über – wie auch immer geartete – (staatliche) Eingriffe in die Informations- und Emotionsmaschine Internet.

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