Wie viel mehr Menschen könnten ein besseres Leben leben, weil sie der Handel mit Europa wohlhabender gemacht hätte, wenn es ihnen nur erlaubt wäre, mit Europa Handel zu betreiben? Oder thematisch aktueller formuliert: Wie viel weniger Menschen wären auf der Flucht, wenn die reichen Länder und Regionen sich nicht abschotten würden? Die Europäische Union hat innerhalb ihres Territoriums einen weitgehend freien Markt geschaffen, die Marktmauern aber hat sie dabei an ihre Ränder verschoben.
Ich komme auf diese Frage aus Gründen. Eine vernünftige Strategie zur Eindämmung der Flüchtlingsströme ist bekanntlich, die Nachbarländer von Krisenstaaten zu unterstützen. Jordanien, das südlich an Syrien grenzt, ist ein solches Land. Zu den neun Millionen Einwohnern sind in den vergangenen Jahren 1,3 Millionen syrische Flüchtlinge hinzugekommen.
Arbeit finden die Flüchtlinge schon allein deswegen nicht, weil sie in Jordanien nicht arbeiten dürfen. Die Bundesregierung verhandelt gerade 150.000 Arbeitserlaubnisse mit der jordanischen Regierung aus. Im Gegenzug stellt sie dem Land Handelserleichterungen mit der Europäischen Union in Aussicht. Mit diesem 400-Millionen-Menschen großen Wirtschaftsraum handelt Jordanien bisher nämlich kaum. Im Gegensatz zu den USA. Aus mehreren besonderen Wirtschaftszonen Jordaniens werden jährlich Waren im Wert von 1,4 Milliarden Dollar zollfrei in die USA exportiert.
Jordanien möchte gegenüber der EU nun die Vereinfachung der so genannten Ursprungsregel durchsetzen, die festlegt, wie viel Prozent eines Produkts im Ursprungsland produziert sein muss, damit es Zollvergünstigungen in der EU erhält. Wobei das Wort “Zollvergünstigung” ein Euphemismus ist, bedeutet die “Vergünstigung” doch eigentlich, dass die Preise für das Recht gesenkt werden, Zugang zu einem Markt zu erhalten. Warum aber soll dafür überhaupt gezahlt werden? Eine solche Hürde ist zum Nachteil der europäischen Konsumenten, weil sie deren Angebot künstlich verknappt, vor allem aber ist sie zum großen Leid jener, die gerne arbeiten würden, aber wegen (unsichtbarer) Grenzen keine Abnehmer ihres Erarbeiteten finden. Es sind ausschließlich die europäischen Produzenten, die von solchen Schranken profitieren. Wer die Flüchtlingsströme reduzieren will, muss diesen Anachronismus besser heute als morgen beseitigen.
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2 thoughts on “Die unsichtbare Grenze: Wie Zollschranken das Flüchtlingsleid vergrößern”