Deutschlands langsamer (und erfreulicher) Abschied vom einheitlichen Renteneintrittsalter

MIT-Chef Carsten Linnemann: „Arbeiten im Alter wird durch die Neuregelung attraktiver." // Foto: Bankenverband - Bundesverband deutscher Banken (CC BY-ND 2.0)
MIT-Chef Carsten Linnemann: „Arbeiten im Alter wird durch die Neuregelung attraktiver.” // Foto: Bankenverband – Bundesverband deutscher Banken (CC BY-ND 2.0)

Viele, auch ich, haben eine solche Einigung nicht für möglich gehalten: Die mit Bundestagsabgeordneten der Regierungsparteien besetzte Arbeitsgruppe „Flexible Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand“ hat sich auf den zweiten entscheidenden Schritt hin zu einer Flexi-Rente geeinigt, die den Namen auch verdient. Danach hatte es lange nicht ausgesehen.

Der erste wichtige Schritt hin zur größeren Selbstbestimmung der Menschen über ihre Lebensarbeitszeit war bereits im vergangenen Jahr vollzogen worden. Seit Juli 2014 gelten die arbeitsrechtlichen Erleichterungen der Flexi-Rente, wonach ältere Beschäftigte über das Renteneintrittsalter hinaus befristet weiter beschäftigt werden können, inklusive der  mehrfachen Verlängerungen der Befristung.

Aber der arbeitsrechtlichen Voraussetzung fehlten bisher die finanziellen Anreize, damit  Beschäftigte und Arbeitgeber diese Möglichkeit auch tatsächlich in Betracht zu ziehen. Die Arbeitsgruppe aus SPD und Union scheint nun die richtigen Anreize zu schaffen. Es wäre nach der arbeitsrechtlichen Änderung die entscheidende Stellschraube, damit die Flexi-Rente langfristig ein Erfolg werden kann.

Was die Arbeitsgruppe diesbezüglich im Kern beschlossen hat (Überblick der Ergebnisse als .pdf):

  • Die Weiterzahlung der Beiträge in die Arbeitslosenversicherung entfällt. Diese Weiterzahlung war insofern sinnlos und erschwerte bisher eine Weiterbeschäftigung, weil ein Rentner gar nicht mehr arbeitslos werden kann. Ist er ohne Beschäftigung, erhält er nämlich kein Arbeitslosengeld, sondern Rente.
  • Außerdem wird es zukünftig möglich (Opt-in-Regelung), dass ein rentenberechtiger Arbeitnehmer weiter in die Rentenversicherung einzahlen kann und diese Einzahlungen seinen Rentenansprüche erhöhen. Allerdings: Entscheidet er sich gegen eine Einzahlung in die Rentenversicherung, werden dennoch Arbeitgeber-Beiträge fällig, die nicht dem Beschäftigen zu Gute kommen. Das ist gegenüber dem Beschäftigten ungerecht, aber insofern ein politischer Kompromiss, weil die Flexi-Rente dem Vorwurf ausgesetzt war, dass Menschen über dem Renteneintrittsalter sonst einen Wettbewerbsvorteil gegenüber jüngeren Beschäftigten gehabt hätten, die ja verpflichtend Beiträge für die Rentenversicherung leisten müssen und folglich relativ gesehen höhere Arbeitskosten verursacht hätten.

Ordnungspolitisch gesehen, scheint mir diese Lösung gelungen: Wer den Wunsch hat, länger zu arbeiten, kann dies zukünftig tun, ohne dafür benachteiligt zu werden, zumindest wer von der Opt-in-Möglichkeit Gebrauch macht. Die Zeiten, in denen in Deutschland alle im gleichen Alter in Rente gingen (gehen mussten), neigen sich dem Ende zu.

Die Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU (MIT) möchte deshalb auch künftig nicht mehr vom „Renteneintrittsalter“ zu sprechen, sondern vom „Rentenbezugsalter“, als dem Zeitpunkt, der nur noch den Renteneintritt als möglichen Eintrittspunkt für alle definiert, aber es jedem freistellt ist, länger zu arbeiten. MIT-Chef Carsten Linnemann sagt laut Pressemeldung: „Wir wollen den Mentalitätswandel: Arbeit im Alter muss keine Bürde sein, sondern bedeutet Teilhabe, Sinnstiftung und persönliche Kontakte.“ I very agree. Und die Regierung zeigt: Sie kann auch Ordnungspolitik.

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