Seit Jahresanfang gilt der Mindestlohn, seit Mai die Frauenquote (Frauen müssen ab 2016 30 Prozent der Mitglieder von Aufsichtsräten großer Unternehmen stellen), seit dieser Woche nimmt das Gesetz zur Tarifeinheit Arbeitnehmern Freiheiten. Und im Herbst geht es munter weiter. Ein Überblick, was die Bundesregierung an weiteren Arbeitsmarktregulierungen umsetzen will.
Entgeltgleichheit
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will noch in diesem Jahr ein so genanntes Entgeltgleichheitsgesetz verabschiedet sehen. Der Referentenentwurf ist in Vorbereitung. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass Frauen und Männer künftig gleiches Geld für gleiche Arbeit erhalten.
Das will Manuela Schwesig konkret:
- Unternehmen ab 500 Beschäftigte sollen verpflichtet werden, im Lagebericht nach dem Handelsgesetzbuch auch zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit im Rahmen von gesetzlichen Kriterien Stellung zu nehmen.
- Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird ein individueller Auskunftsanspruch festgelegt.
- Unternehmen werden dazu aufgefordert, mit Hilfe verbindlicher Verfahren und gemeinsam mit den Beschäftigten und unter Beteiligung der Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter im Betrieb in eigener Verantwortung erwiesene Entgeltdiskriminierung zu beseitigen.
- Flankierend dazu will die Bundesregierung eine Initiative gemeinsam mit den Tarifpartnern starten, um die Muster von struktureller Entgeltungleichheit in Tarifverträgen zu erkennen und zu überwinden.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagt, das Gesetz werde nicht mehr in diesem Jahr kommen. Er erwartet einen Vorschlag der Bundesregierung, “betonte aber wiederholt, dass der Koalitionsvertrag auch in diesem Punkt umgesetzt würde.”
Bewertung eines möglichen Gesetzes
Die geplanten Eingriffe scheinen überschaubar, gleichwohl wird weiter an der Bürokratieschraube gedreht. Von Seiten der (ökonomischen) Wissenschaft fehlt eine Begründung für ein solches Gesetz. Hohe Lohnunterschiede in Folge offensichtlicher Diskriminierung von Frauen ist wissenschaftlich nicht haltbar. (Vertiefung: Dr. Christina Boll und Julian S. Leppin im Paper “Die geschlechtsspezifische Lohnlücke in Deutschland: Umfang, Ursachen und Interpretation“).
Was dies für ein mögliches Gesetz bedeutet: Entweder bleibt das Gesetz ohne Folgen, weil es auf die Abschaffung von Diskriminierung zielt, die es offensichtlich kaum gibt (gleiche Qualifikation und Berufserfahrung wird in Unternehmen in der Regel geschlechterunabhängig bezahlt). Oder, was schlimmer wäre, das Gesetz versucht Ungleiches gleich zu behandeln, in dem es für unterschiedliche Qualifikationen und Jobs gleiche Löhne vorschreibt. Das wiederum würde mehrheitlich die Jobchancen der im Schnitt weniger berufserfahrenen Frauen verschlechtern.
Zeitarbeit
In Deutschland sind etwa 800.000 Menschen bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Seit der Deregulierung der Zeitarbeit im Zuge der Hartz I-Reformen im Jahre 2003 ist die Zahl stark gestiegen (2012: rund 300.000), wenngleich nachfolgende Regulierungen (Europäische Richtlinie zur Leiharbeit, allgemeinverbindlicher Mindestlohn sowie Ergänzungstarife der Tarifvertragsparteien nach Drohung durch Politik mit neuen Gesetzen) einen weiteren Zuwachs mutmaßlich verhindert haben.
Im Koalitionsvertrag hat die Regierung zusätzliche Daumenschrauben angekündigt:
- So soll zum einen die Überlassungshöchstdauer von Arbeitnehmern auf 18 Monate festgelegt werden.
- Leiharbeiter sollen nach spätestens neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgeltes mit der Stammbelegschaft gleichgestellt werden.
Ein Referentenentwurf soll im Herbst vorliegen. Offen ist mindestens noch die Frage, ob sich die Befristung auf die Person oder den Arbeitsplatz bezieht. Letzteres wäre der deutlich schärfere Eingriff, würde es den Unternehmen die Möglichkeit nehmen, einen anderen Zeitarbeitnehmer zur Besetzung der betrieblichen Funktion anzufordern.
Bewertung eines möglichen Gesetzes
Ökonomisch betrachtet gibt es keinen Grund, warum die Überlassung von Arbeitnehmern nicht dauerhaft möglich sein soll. Eine Begrenzung mindert die Beschäftigungschancen der Angestellten der Zeitarbeitsbranche. Und Zuschläge in Folge längerer Überlassung werden durch gesetzliche Beschränkung wegfallen. Außerdem: Da Zeitarbeit häufig projektbasiert erfolgt, würde es künftig schwieriger, Projekte mit längerem Planungshorizont mittels Zeitarbeiter umzusetzen.
Ebenso problematisch ist der Plan, dass Leiharbeiter spätestens nach neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgeltes mit der Stammbelegschaft gleichgestellt werden sollen.
Mindestens würde es den eingeschlagenen Weg der Tarifvertragsparteien konterkarieren, mit Zuschlagstarifverträgen einen tariflichen Weg zum Equal Pay zu beschreiten (mit Hartz I-Reform war die Zeitarbeit nicht nur dereguliert worden, es war auch das so genannte Equal-Treatment-Prinzip eingeführt worden, von dem nur auf Basis tarifvertraglicher Regelungen abgewichen werden darf).
Beim der geplanten Verschärfung der Zeitarbeit ist offen, was mit “Gleichstellung” gemeint ist. Würde der Begriff im Gesetz so interpretiert, dass die Zeitarbeiter exakt das gleiche Einkommen wie die Stammbelegschaft erhalten müssen, würde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Denn in der Regel ist das betriebsspezifische Humankapital der Zeitarbeitnehmer geringer und sie weisen daher eine geringere Produktivität auf. Die Folge könnten Arbeitsplatzverluste in der Zeitarbeit-Branche sein.
(Vertiefung: Holger Schäfer, IW Köln: “Die Zukunft der Zeitarbeit zwischen Re-Regulierung und qualitativer Weiterentwicklung“)
Darüber hinaus plant Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles das Streikrecht von Arbeitnehmern und Gewerkschaften zu stärken, in dem per Gesetz verboten werden soll, in bestreikten Betrieben Zeitarbeiter einzusetzen.
Werkverträge
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will den Missbrauch von Werksverträgen durch verschärfte Kontrollen eindämmen. Diese Kontrollen soll der Zoll übernehmen. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr erarbeitet werden. Mindestens Kosten und Bürokratie würden dadurch zunehmen.
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