Unverändert lautet der Kernsatz: Die „Allgemeinheit hat ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten ‚Parallelgesellschaften‘ entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren.“ Die Mehrheit erscheint als „Allgemeinheit“; die Minderheit lässt „Parallelgesellschaften“ entstehen. Es ist ein pompöser Plural, den die Kammer inszeniert. Interessanterweise befürchtet sie keine Gegengesellschaften – Gruppen, die sich gegen die Mehrheitsgesellschaft stellen –, sondern Gesellschaften, die beziehungslos, desinteressiert neben der Mehrheitsgesellschaft leben, parallel, ihr also die kalte Schulter zeigen. Worin liegt dann eigentlich die Gefahr? Liegt sie in den Alternativen, die die „Parallelgesellschaften“ der Mehrheitsgesellschaft vorleben? Wohlgemerkt: Das Kindeswohl war nach den eindeutigen Feststellungen der Gerichte nicht gefährdet. Es handelt sich um keinen Fall der Verwahrlosung, der Isolation, der sozialen Abkopplung, der Vorenthaltung sozialer Kompetenzen. Mobilisiert wurde nicht das staatliche Wächteramt zugunsten der Kinder. Es handelt sich schlicht um den Fall der Indienstnahme von Kindern und Eltern für das „berechtigte Interesse der Allgemeinheit“.
Franz Reimer, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Rechtstheorie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, heute in der FAZ (Raum der Freiheit?) zum Urteil der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, die durch Beschluss vom 15. Oktober 2014 (2 BvR 920/14) eine strafrechtliche Entscheidung des Amtsgerichts Fritzlar bestätigt hat, das ein Elternpaar zu einer Geldstrafe verurteilt hatte. Das Delikt: Die Eltern hatten andere „dauernd oder hartnäckig wiederholt“ (wie die Strafnorm formuliert) der Schulpflicht entzogen.