
Professor Dr. Thomas Straubhaar (Foto oben) denkt gerne gegen den Mainstream. Ich schätze ihn dafür. So ist er etwa ein Freund des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE).
Straubhaar sieht im bedinungslosen Grundeinkommen eine natürliche Entwicklung der sich wandelnden Gesellschaft. Im Wirtschaftsdienst (93. Jahrgang, 2013, Heft 9 | S. 583-605) schreibt er:
Aus einer ökonomischen Sicht ist die Erkenntnis wegleitend, dass das heutige Sozialsystem den sich wandelnden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen immer weniger gerecht wird…. Die Fundamente, auf denen heutzutage der deutsche Sozialstaat ruht, sind veraltet. Sie wurden in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts gelegt. … Eine an traditionellen Familienformen und an der Erwerbsbiografie der ununterbrochenen, lebenslangen Beschäftigung fest gemachte Sozialpolitik hat sich weit von der heutigen Realität entfernt. Eine andere Perspektive drängt sich auf. Wer nicht erwerbstätig ist, wer Arbeit sucht, wer in einer Patchwork-Beziehung lebt, alleinerziehende Elternteile und Menschen, die Beruf, Wohnsitz oder ihre Lebensabschnittsbegleiter wechseln, benötigen sozialpolitischen Schutz. Eine Sozialpolitik, die der neuen Lebenswirklichkeit Rechnung trägt, darf sich nicht darauf beschränken, Menschen in Not zu helfen. Sie muss verhindern, dass Menschen in Not geraten. Also Prävention statt Reparatur. Beschäftigung ermöglichen, statt Beschäftigung sichern. Ermächtigen nicht Bevormunden. Kurzum: Chancen eröffnen und nicht Bestehendes konservieren.
Ein solches BGE müsse, so Straubhaar, vier Kriterien entsprechen:
Ein BGE muss existenzsichernd sein, einen individuellen Rechtsanspruch begründen, darf mit keiner Bedürftigkeitsprüfung einhergehen und keinem Zwang zur Arbeit. Das Grundeinkommen wird bedingungslos und damit ohne bürokratischen Aufwand als sozialpolitischer Universaltransfer ausbezahlt.
Viele Ökonomen halten die Finanzierung für kaum möglich. Was sie vergessen: Ein bedingungsloses Grundeinkommen im Sinne von Straubhaar würde nur mit einer radikalen Umkehr in der Steuer- und Sozialpolitik einhergehen.
Das BGE ist im Kern nicht mehr aber auch nicht weniger als eine ganzheitliche Steuerreform. Es geht darum, die komplexe Umverteilungsmaschinerie zu vereinfachen und zu verbessern. Das oft undurchschaubare Geflecht von personenbezogenen Steuern, Abgaben und Transfers soll zu einem einzigen universalen Steuer-Transfer-Instrument zusammengezogen werden.
Im Wirtschaftsdienst hat er die Eckpunkte des bedinungslosen Grundeinkommens benannt:
- Alle erhalten in gleicher Höhe das BGE, unabhängig ob jung oder alt, beschäftigt oder arbeitslos, verheiratet oder Single.
- Das BGE wird aus dem allgemeinen Staatshaushalt über direkte Einkommens- und indirekte Konsumsteuern finanziert.
- Das BGE bleibt steuerfrei. Alle Einkünfte aus Arbeit, Zinsen und Dividenden, Miete und Pacht werden vom ersten bis zum letzten Euro an der Quelle erfasst und mit einem einheitlichen und gleich bleibenden Steuersatz belastet.
- Eine Steuererklärung muss nur noch von jenen ausgefüllt werden, die gegen entsprechende Belege Werbungskosten geltend machen wollen. Dabei gibt es keine expliziten Steuerfreibeträge, denn das BGE wirkt bereits als Freibetrag.
- Im Gegenzug werden alle steuer- und abgabenfinanzierten Sozialleistungen durch das BGE abgeschafft: Gesetzliche Renten-, Arbeitslosen- oder Pflegeversicherung werden genauso durch das BGE ersetzt wie Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Wohn- und Kindergeld.
- Die heute zu leistenden Abgaben an die Sozialversicherungen entfallen damit vollständig. Entsprechend sinken die Lohnnebenkosten. Die Lohnnebenkosten im weiteren Sinne wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgeld und Ähnliches werden durch das BGE nicht berührt.
- Für Kranken- und Unfallversicherung gibt es eine Grundversicherungspflicht. Der notwendige Beitrag ist mit dem BGE zu verrechnen oder dazu zu addieren und als Versicherungsgutschein auszugeben. Dieser Gutschein kann bei jeder Kranken- bzw. Unfallversicherung für eine Grundversicherung eingelöst werden. Für die Versicherer bestehen Diskriminierungsverbot und Kontrahierungszwang.
Vertiefung: Zeitgespräch: Das Bedingungslose Grundeinkommen – ein tragfähiges Konzept? mit Thomas Straubhaar, Götz W. Werner, Wolfgang Eichhorn, Lothar Friedrich, Florian Habermacher, Gebhard Kirchgässner, Heiner Flassbeck, Georg Quaas, Sebastian Thieme
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