Lernen für das Leben oder leben um zu lernen? – Über den Unterschied von steuer- und selbstfinanzierter Schule

Steuerfinanzierte Bildung drängt Schulen, den Selbstzweck von Bildung aufzugeben. // Photo by Phil Roeder (CC BY 2.0)

Die Schule als Mittel zur Generierung von Lebenschancen – darauf reduziere sich Schulpolitik heute im Wesentlichen, kritisiert der Politikwissenschaftler Hans Maier in einem lesenswerten, ganzseitigen Gastbeitrag “Alles Leben war mir lernen” in der FAZ vom 15. September 2014. Dabei müsse Schule mehr sein, so Meier, nämlich auch Selbstzweck:

„Wir lernen nicht für die Schule, sondern für das Leben“ – dieser vielzitierte Satz hört sich im ersten Augenblick gut an. Aber was bedeutet er für die Schule? Sie wird funktionalisiert, wird in den Dienst von etwas gestellt, was jenseits des konkret erfahrenen Schullebens liegt; sie verliert mit der Muße ihr Eigenrecht, ihr eigenes Dasein, und wird zur Präparandenanstalt auf künftige Dinge hin. Welch eine Enteignung!

Maier beschreibt ein – vielleicht das – Kernproblem staatlicher Schule in Deutschland. Dass nämlich Schule vor allem einem Ziel dient, welches außerhalb der Schule selbst liegt: Schüler sollen fit für die Zeit nach der Schule werden. Sie sollen studieren, einen Beruf erlernen, Geld verdienen können.

Natürlich darf und muss Bildung auch dazu dienen, einen späteren Nutzen zu schaffen, für sich und andere. Aber die Verengung auf dieses eine Ziel lässt die Gegenwart verkümmern.

Hans Meier dazu:

“Plötzlich ist Bildung kein Selbstzweck mehr, kein unmittelbar erfahrbares, gegenwärtiges Glück – sie soll sich ja für später, fürs Leben, lohnen. Sie soll eine Antwort parat haben auf die lästige, allgegenwärtige Frage ‘Was bringt’s?'”

Diese Entwicklung, so Maier, kennzeichne die deutsche Schulpolitik seit den 60er Jahren:

Am problematischsten war ein veränderter Blick auf die Schule. Sie wurde im Zug des Ausbaus rigoros in den Dienst der Zukunft, des „Lebens“ gestellt, bis zu dem Grad, dass sie ihr pädagogisches Eigenrecht verlor. An die Stelle der „Schule“ im alten Sinn – Schule (schola) hieß ursprünglich „Muße“ – trat die Lebensdienlichkeit. Nützlichkeitsdenken drang in den Unterricht ein. Jedes Fach musste sich ausweisen, welchen messbaren Ertrag es hatte. Man hatte vergessen, dass es, lange bevor es die Schule als Pflicht gab, schon die Schule als Muße gegeben hatte – als ein Bündnis von Lehrenden und Lernenden, als freiwillige Verbindung von Älteren, Erfahrenen, mit Jüngeren, die unerfahren, aber wissbegierig waren.

Ich frage mich: Welchen Anteil an dieser Entwicklung trägt die Struktur der Bildung in Deutschland, also wie Bildung in Deutschland organisiert ist, nämlich staatlich, bezahlt mit Steuern, also von allen?

Ich vermute, dass die Form von Organisation und Finanzierung vor allem das Ziel von Schule verändert. Denn im Mittelpunkt steht nicht mehr der Nutzen für den Einzelnen, sondern der Nutzen für die Gesellschaft.

Der Unterschied: Die Gesellschaft profitiert vor allem von den Ergebnissen von Bildung, während für den Einzelnen auch das Bilden selbst, also die Zeit in der Schule, eine hohe Bedeutung hat. Folglich drängt steuerfinanzierte Bildung Schulen dazu, den Selbstzweck von Bildung aufzugeben. Wenn Schule von allen bezahlt wird, dann soll sie sich auch für alle lohnen. Bildung muss einen Ertrag abwerfen, in Form höherer künftiger Steuereinnahmen, in Form von mehr Leistung im Beruf.

So werden aus Schülern, die lernen wollen, weil sie wissbegierig sind, Schüler, die unter Androhung von Zwang (Schulpflicht) gebildet werden – um der Gesellschaft ihr Invest (Steuerfinanzierung der Schule) zurückzahlen.

Triviales Fazit: Wenn die Schule von heute das Produkt von Organisation und Finanzierung ist, dann wird sie sich nur grundlegend ändern können, wenn sich Organisation und Finanzierung ändern.

Ich glaube, dass eine selbstfinanzierte Bildung – bereitgestellt von privaten Bildungsträgern – stärker den Gegenwartswert von Bildung in den Vordergrund rücken würde. Pädagogik würde wichtiger und die Eigenmotivation der Schüler in den Mittelpunkt gestellt. Denn Eltern wollen glückliche Kinder. Auch in der Zukunft, vor allem in der Gegenwart.

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