Früher lautete ein Credo der Neuen Politischen Ökonomie, dass “Grausamkeiten” in der Politik am Anfang einer Legislatuerperiode durchgeführt werden.
Was für die Zukunft notwendig, aber beim Wähler unbeliebt ist, wurde bereits kurze nach der Wahl in die Wege geleitet. Etwa eine Reform der Rentenversicherung, um sie gegen den demografischen Wandel zu wappnen. Oder Arbeitsmarktreformen, die weh taten, aber auf lange Frist mehr Beschäftigung schufen.
Der Vorteil einer solchen Politik für die Politiker: bessere Chancen auf eine Wiederwahl. Denn sie können kurzfristig nicht abgewählt werden und die positiven Folgen einer Reform haben Zeit zur Entfaltung, was – so diese Wirkungen vor der nächsten Wahl einsetzt – die Chance der Wiederwahl erhöht.
Von einer solchen Politik ist die große Koalition weit entfernt. Union und SPD liefern, was sie versprochen haben. Und sie haben viel versprochen. Jetzt wird viel gehalten: Maut für Ausländer, mehr Rente für Mütter, besser Rechte für Arbeitsplatzbesitzer – die Liste der Versprechen ist lang.
Die große Koalition macht alles richtig, sagt der Pragamatiker, denn so habe gute Demokratie zu funktionieren: Die Wähler bekommen, was sie gewählt haben. Schließlich sei es wichtig, Wahlversprechen einzuhalten.
Doch die Politik der großen Koalition ist auch perfide. Denn die Liste der Verlierer ist viel länger als die der Versprechen. Und es verlieren jene, die Hilfe am nötigsten hätten: Schwache, Kleine, Minderheiten.
- Wer heute noch keinen Job gefunden hat, wird sich in Zukunft noch schwerer tun – weil die Kosten der Arbeit steigen.
- Wohnungssucher werden noch länger suchen müssen – weil der Mietanstieg weiter gedeckelt und damit Investitionen in Neu- und Bestandswohnungen gebremst werden.
- Alle, die morgen die Renten der heute Arbeitenden zahlen sollen, werden höhere Beiträge berappen müssen – da etwa die verbesserte Mütterrente die Ansprüche von Rentnerinnen erhöht.
Und das sind nur Beispiele.
Der Koalitionsvertrag trieft vor Klientelpolitik. Weil die große Koalition eben viele Bevölkerungsgruppen abdeckt, werden auch viele bedient. Den Preis zahlen jene, die wenig Einfluss haben. Weil sie schlecht organisiert sind, weil sie noch gar nicht geboren sind.
Faire Politik sieht anders aus. Vielleicht ist die Politik in wirtschaftlich soliden Zeiten dazu aber auch gar nicht in der Lage. Die Gruppe derer, denen es schlecht geht, ist einfach zu klein. Schließlich kann man der Politik kaum zum Vorwurf machen, dass sie nicht umsetzt, was ihre Wähler gar nicht wollten.
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2 thoughts on “Liefern und geliefert: Wer beim Koalitionsvertrag auf der Strecke bleibt”