600 Seiten hat das Regelwerk des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, kurzBasel III genannt. 2014 tritt es in Kraft. Im Kern wird es die Banken dazu bringen, bei der Vergabe von Krediten mehr Eigenkapital vorzuhalten. Das soll Bankenkrisen unwahrscheinlicher machen, zumindest deren Ausmaß weniger gravierend. Auf der anderen Seite werden Kredite tendenziell teurer. Das muss aber nicht so kommen.
Die Politik hatte ungewöhnlich schnell reagiert. Im Jahr 2008 war die US-Bank Lehman Brothers pleite gegangen. Der Anfang einer Kettenreaktion. Was folgte, ist oft beschrieben worden: Die Interbankenmärkte kamen zum Erliegen, weil die Banken sich gegenseitig nicht mehr trauten. Banken liehen sich untereinander – insbesondere in Europa und den USA – kaum noch Geld. Das gesamte Finanzsystem war in Gefahr, da die Banken weltweit durch Geschäftsbeziehungen eng miteinander verknüpft sind.
Wie gesagt: Die Politik hatte schnell reagiert. Zunächst wurde mit kurzfristigen Finanzhilfen der Zusammenbruch zahlreicher Institute verhindert. Dann wurde an die Zukunft gedacht: Beim G20-Treffen in Pittsburgh, USA, im September 2009, beauftragten die Regierungschefs den sogenannten Baseler Ausschuss mit der Ausarbeitung der neuen Bankenregulierung – die Geburtsstunde von Basel III.
Bald fünf Jahre sind seit dem Treffen in Pittsburgh vergangen. In dieser Zeit hat der Baseler Ausschuss, dem die Chefs der Zentralbanken und der nationalen Aufsichtsbehörden der wichtigsten Wirtschaftsnationen angehören, ein 600 Seiten umfassendes Werk erarbeitet.
Der Weg für die Umsetzung wurde erst vor kurzem frei. Im Juni haben Europäisches Parlament, Europäischer Rat und die Europäische Kommission zugestimmt. Damit kann Basel III zum 1. Januar 2014 in Kraft treten.
Was wird sich dann ändern? Für die Banken? Vor allem aber für deren Kunden wie die mittelständischen Unternehmen?
Ziel der Änderung: Das Bankensystem stabilisieren. Das Mittel dafür: Die Banken per Gesetz zwingen, ihre Kredite mit mehr Eigenkapital zu hinterlegen.
Für Unternehmen heißt das in der Tendenz: Die Fremdfinanzierung wird sicherer, aber auch teurer. Bei manchen Firmen ist das Thema bereits angekommen. “Von anderen Unternehmern aus der Werbe- und Medienbranche haben wir in der letzten Zeit verstärkt gehört, dass Investitionsdarlehen schwieriger zu erhalten sind und deutlich mehr Sicherheiten gefordert werden”, sagt etwa Claudia Mattheis
geschäftsführende Gesellschafterin der Mattheis Werbeagentur GmbH.
Aber: Um wie viel werden Kredite teurer? Und: Wird durch die neuen Regelungen das Bankensystem wirklich stabiler?
Zunächst: Die Richtung von Basel III stimmt, darüber herrscht weitgehend Einigkeit. So schreibt etwa das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) in einer Bewertung der neuen Kapitalmarktvorschriften: “Es ist sinnvoll, dass die Banken mehr Eigenkapital halten müssen, damit werden sie krisenfester und eine Finanzkrise weniger wahrscheinlich.”
Die Sicherheit hat ihren Preis. “Die Kosten der Bank für das Eigenkapital erhöhen sich um etwa ein Drittel”, schätzt etwa der Bankenverband. Allerdings machen die Eigenkapitalkosten nur einen Teil der Gesamtkosten eines Kredits aus, so dass die Regulierung nicht zu einer Kostensteigerung in gleicher Höhe führen wird. “Insgesamt wird die Regulierung jedoch zur Folge haben, dass sich die Konditionen noch stärker nach dem Rating des Kunden richten.”
Basel III sieht aber für Kredite an Mittelstand Erleichterungen vor. Das ist im so genannten Mittelstandskompromiss geregelt. Die Kapitalanforderungen für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen werden durch einen so genannten Adjustierungsfaktor deutlich gesenkt und bleiben damit gegenüber den bisherigen Regelung (Basel II) quasi unverändert. Voraussetzung dafür ist, dass der Kreditnehmer einen Umsatz von weniger als 50 Millionen Euro im Jahr aufweist und die Forderungen der Bank gegen diesen Kreditnehmer 1,5 Millionen Euro nicht übersteigen.
Die Erleichterungen für Mittelstandskredite sind für Deutschland von besonderer Bedeutung. Denn im Gegensatz zu anderen Ländern spielt der Bankkredit für die Finanzierung von Unternehmen eine zentrale Bedeutung.
In Deutschland aber gibt es noch eine weitere Besonderheit, nämlich die vielen Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Bereits im Jahr 2011 hatte die Deutsche Bundesbank das Eigenkapital der damals 429 Sparkassen und 1139 Genossenschaftsbanken ermittelt. Nahezu alle Institute wiesen schon damals eine Quote so genannten harten Kernkapitals von mindestens 7 Prozent auf.
Mit anderen Worten: Die “Tankstellen des Mittelstands” sind für Basel III gerüstet. Sie erhalten durch die neuen Finanzmarktregeln sogar einen Wettbewerbsvorteil, weil andere Banken durch die Erhöhung ihres Eigenkapitals ihre Kreditpreise tendenziell anheben müssen.
Gut möglich also, dass sich für die Finanzierung vieler mittelständischer Unternehmen wenig bis gar nichts ändert.
Dennoch ist die Einführung von Basel III ein guter Anlass, die Finanzierungsstruktur des eigenen Unternehmens zu hinterfragen. Schließlich lässt sich in einigen Fällen der Kapitalbedarf durch eine verbesserte Innenfinanzierung oder – bei größeren Unternehmen – durch die Emission von Anleihen decken.
Im Übrigen: Ein Punkt ist in Basel III denkbar schlecht geregelt. Nur auf den ersten Blick sind Unternehmen davon nicht betroffen. Weiterhin wird die Verschuldung von Staaten privilegiert. Staatsanleihen dürfen auch in Basel III von den Banken ohne Hinterlegung von Eigenkapital gehalten werden.
Wie die aktuelle Staatsschuldenkrise gezeigt hat, tragen aber auch Staatsanleihen ein Ausfallrisiko. “Darüber hinaus sind Banken und deren Staaten in einem potenziellen Teufelskreis miteinander verbunden, in dem Bankenkrisen zu Staatsschuldenkrisen führen können und umgekehrt”, so das IW Köln. Folglich sollten Risikogewichte für Staatsanleihen, basierend auf deren Rating, eingeführt werden, empfiehlt das Wirtschaftsforschungsinstitut.
Denn: Nichts ist gewonnen, wenn Unternehmer mit höheren Kreditkosten das Bankensystem stabilisieren helfen, während gleichzeitig faule Staatsanleihe-Papiere in den Tresoren der Banken schlummern. Gut möglich, dass dann die nächste Krise nicht kleiner wird, als jene, die wir noch nicht hinter uns haben.