Der ehemalige Londoner Bürgermeister Ken Livingstone hatte der Stadt durch die Austragung der olympischen Spiele einen wirtschaftlichen Aufschwung prophezeit, wie sie ihn “seit der Blütezeit von Queen Victoria” nicht mehr erlebt habe. “Derartiger Enthusiasmus gehört zweifellos zur politischen Taktik einer guten Bewerbung, ob er den wirtschaftlichen Realitäten entspricht, ist eine andere Frage”, schreibt dazu Wolfgang Haaß, Abteilungsdirektor beim Bundesverband deutscher Banken, in der aktuellen Ausgabe der Verbandszeitschrift inter|esse, wo Haaß ökonomische Fakten zu den olympischen Spielen zusammengetragen hat.
Hier, die aus meiner Sicht interessantesten Punkte:
- Das US National Bureau of Economic Research hat anhand von Daten aus 196 Ländern für den Zeitraum 1950 bis 2006 errechnet, dass Olympia-Länder mit einer Steigerung ihres Warenexports um in der Spitze bis zu 30 Prozent rechnen können. Haas: “Erstaunlicherweise gilt dies aber nicht nur für die Nationen, die den Zuschlag bekommen, die Spiele auszutragen, sondern auch für die anderen Bewerberländer. Entscheidend, so die Autoren der Studien, seien das Signal und die Bereitschaft eines Landes, sich im Zuge von Olympia für die Welt zu öffnen.”
- Die aktuelle schwierige wirtschaftliche Lage in Großbritannien macht solche Exportsprünge unwahrscheinlich. “Bei den Zukunftsaussichten sind unterschiedliche Grade an Optimismus zu beobachten: Während der Wirtschaftsverband Confederation of British Industry im dritten Quartal 2012 wieder mit einem Wachstum von 0,7 Prozent rechnet, geht die Bank of England davon aus, dass sich Großbritannien frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2013 erholen wird”, so Haas.
- Einzelne Branchen profitieren aber durchaus. “Verhalten positiv beurteilen Analysten die Entwicklung einzelner Branchen, allen voran das Hotelgewerbe. Im Februar beispielsweise waren die Zimmerpreise rund um Big Ben europaweit am stärksten (um 6,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr) gestiegen. Längere Öffnungszeiten der Geschäfte an den Sonntagen während der Spiele und rund eine halbe Million zusätzlicher Konsumenten tun ihr Übriges und dürften auch im Einzelhandel für spürbar höhere Umsätze sorgen.”
- Ohne Zweifel profitiert das Internationale Olympische Komitee (IOC), das die Spiele wirtschaftlich gesehen wie ein Franchise-Modell betreibe, so Haaß. “Als Rechteinhaber der Spiele erlaubt es alle zwei Jahre den Ausrichtern die ‘Rezeptur Olympische Spiele’ zu nutzen. Die Vermarktungsrechte bringen dem IOC im aktuellen Olympiazyklus schätzungsweise rund 4,7 Milliarden Euro ein.”
- Finanziert wird das Spektakel zum großen Teil durch den Steuerzahler. Haas: “Bei der Bewerbung für London wurden dafür 2,9 Milliarden Euro kalkuliert. Mittlerweile hat sich die Summe nach offiziellen Angaben auf 11,6 Milliarden Euro fast vervierfacht. Aber selbst damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, denn für die generelle Infrastruktur wurde schon zur Zeit der Bewerbung mit weiteren 10,7 Milliarden Euro gerechnet.”
Das Fazit leiht sich Wolfgang Haaß vom Hamburgischem Weltwirtschaftsinstitut, das unlängst für die Fußball-Europameisterschaft und sportliche Großereignisse dieser Art insgesamt konstatierte:
“Während die positiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen in der Regel über- und die Kosten unterschätzt werden, lassen sich die tatsächlichen Gewinner bei einzelnen Unternehmen oder Branchen ausmachen. Bewerber für künftige Mega-Events müssen hingegen zur Kenntnis nehmen, dass sportliche Großereignisse in öffentlichen Budgets vor allem auf der Kostenseite zu Buche schlagen.”
- Siehe auch Pixelökonom-Post “Lohnt sich die Austragung einer Fußball-WM?“
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2 thoughts on “Olympische Spiele: Einzelne gewinnen, die Gesellschaft zahlt”