Als Peter Sodann, der ehemalige Tatort-Kommissar, sich für kurze Zeit in die Rolle des Kandidaten für das Bundespräsidentenamt verirrt hatte, da wurde er in einem Interview gefragt, was er machen würde, wenn er für einen Tag Polizeipräsident wäre. „Da würde ich Herrn Ackermann, den Chef der Deutschen Bank, verhaften“, hatte Sodann damals geantwortet. „Dann würde man mich zwar rausschmeißen, aber ich hätte es wenigstens mal gemacht.“
Ackermann verhaften. Wählte das Volk den Bundespräsidenten direkt, Sodann hätte damit an der Wahlurne Stimmen gemacht.
Josef Ackermann, 62, ist der exemplarische Feind all jener, die glauben, für die Bankenkrise sei nur eine einzige Gruppe verantwortlich, nämlich jene, die selbst in dieser Branche arbeiten. Vielleicht nicht die nette Frau am Bankschalter, die einem Dollars für den Auslandsurlaub unter dem Panzerglas durchschiebt. Aber jene, die an den Bildschirmen sitzen, auf denen die Zahlen durchrattern, die das Geld um den Globus schieben und nicht genug bekommen können, die reich sind, aber immer reicher werden wollen.
Die Gier, diese dunkle Seite des Menschen, habe das System zum Einsturz gebracht, so ist zu hören. Wer immer mehr wolle, der stehe am Ende mit leeren Händen da.
Uns wurde diese Kausalität schon als Kinder eingetrichtert. Sei nicht gierig! Sei nicht so, wie der Fischer und seine Frau, die Ilsebill, die immer mehr wollte und auch immer mehr bekam, die in immer größeren Häusern wohnte, sogar in einem Schloss, die schließlich wie Gott werden wollte – und dann doch nur wieder in ihrer schäbigen Baracke am Meer landete.
Die Gier, so wurden wir sozialisiert, führt uns ins Verderben. Die weltweite Bankenkrise hat uns darin bestätigt.
Vielleicht ist aber auch alles ganz anders. Vielleicht ist der Mensch weniger gierig als vielmehr verliebt in die Rache. Wenn etwas schief geht, braucht es Schuldige. Wir nennen das dann „zur Verantwortung ziehen“. Das klingt so gar nicht nach Rache und das soll es ja auch nicht. Aber damit man jemanden zur Verantwortung ziehen kann, muss sich zuvor erst einer der Verantwortung angenommen haben.
Wer soll Schuld daran sein, dass der Sozialismus scheiterte? Erich Honecker vielleicht? Michael Gorbatschow? Oder waren die Menschen im Osten einfach schlechter als die im Westen?
Natürlich nicht. Schuld war das System. Das klingt wie eine billige Ausrede. Ist es aber nicht. Das Problem ist nur: Ein System kann man auf keine Anklagebank setzen, ihm keinen Prozess machen und auch nicht in eine Einzelzelle sperren. Ackermann schon, theoretisch zumindest.
Aber Ackermann ist nicht das Problem. Ackermann ist der Chef eines Unternehmens, eines sehr erfolgreichen Unternehmens. Er spielt mit im großen Spiel des Geldverdienens. Er ist einer der besten Spieler. Will man ihn dafür verantwortlich machen?
„In der Finanzkrise wurde offenbar, dass das praktizierte Anreiz- und Vergütungssystem im Finanzsektor so verzerrt war, dass sich individuelle Entscheidungsträger zur maximalen Rendite in kürzest-möglicher Zeit geradezu angespornt fühlen mussten,“ schreibt Armin Steinbach in einem gerade erschienenen Aufsatz. Steinbach arbeitet im Wirtschaftsministerium, hat also hautnah erlebt, wie die Politik in der Bankenkrise zu retten versuchte, was kaum mehr zu retten war.
Das Bankensystem war eingestürzt, weil es zwei Konstruktionsfehler hat. Diese gibt es auch in anderen Branchen, aber in der Bankenlandschaft sind sie besonders ausgeprägt. Der eine spielt sich auf der großen Ebene ab, der Makroebene, es geht um die Rahmenbedingungen für Finanzinstitute. Der andere Fehler zeigt sich im kleinen, im Mikrobereich, wenn es um die Frage geht, wie sich Manager entscheiden und warum sie bei ihren Entscheidungen häufig nicht alle Interessen einbeziehen, die sie eigentlich einbeziehen sollten. Aber der Reihe nach.
Aktionäre wollen Gewinne machen. Sie tun dies, wenn Unternehmen erfolgreich sind, wenn auch diese Gewinne erwirtschaften. Aktionäre, also die Eigentümer der Unternehmen, verlangen folglich von den Managern, Geschäfte zu tätigen, die hohe Gewinne versprechen. So weit, so simple.
Das Problem dabei: Was passiert, wenn sich die Erwartungen nicht erfüllen, wenn die Geschäfte nicht laufen wie erwartet, wenn sich Verluste anhäufen? Hier schleicht sich der Systemfehler ein. Für Verluste haften die Eigentümer nur in Höhe des Aktienwertes. Weniger als Null kann der aber nicht sein. Sind die Unternehmenszahlen im roten Bereich, werden andere zur Kasse gebeten: die Gläubiger des Unternehmens, in der Bankenkrise sogar die Steuerzahler.
Wie aber handelt einer, der weiß, dass er im Falle eines Gewinns diesen vollständig einstreichen darf, aber Verluste von anderen übernommen werden? Er riskiert mehr! Weil Risiko belohnt wird. Weil die Chancen auf hohe Einnahmen steigen, gleichzeitig die Gefahren aber nicht zunehmen. Ergo: Die Eigentümer von Unternehmen drängen die Firmenleitung zu tendenziell risikoreichen Strategien. Systemfehler Nummer eins.
Systemfehler Nummer zwei: fehlende Weitsicht. Unternehmen sind wie Lebewesen. Sie entstehen, wachsen, durchlaufen Höhen und Tiefen und gehen irgendwann zu Grunde. Erfolgreiche Unternehmen erleben dabei nicht nur eine Unternehmensleitung, sondern viele. Das ist ein Problem.
Ein – zugegeben etwas schräges – Gedankenspiel: Was wäre, wenn im Körper eines Menschen nicht eine Person leben würde, sondern – in zeitlicher Folge – mehrere. Einer in der Phase von der Geburt bis zum 20. Lebensjahr, ein zweiter bis 40 Jahre, ein dritter bis 60, ein vierter bis 80. Wie würden diese unterschiedlichen Personen mit diesem Körper umgehen, wenn sie wüssten, dass ihr Aufenthalt dort begrenzt ist? Dass es ihnen egal sein kann, was mit dem Körper ist, wenn sie nicht mehr darin leben.
Manager denken kurzfristig. Das Unternehmen in dem sie arbeiten mag es seit 100 Jahren geben, sie werden dort nur ein paar Jahre verbringen. Und in dieser kurzen Zeit maximieren sie den Gewinn des Unternehmens, weil das in der Regel auch ihren Gewinn maximiert. Ob das auf Kosten der langfristigen Firmensubstanz geht, ist egal.
Aktionäre sehen ein solches Verhalten eigentlich nicht gerne. Schließlich orientiert sich der Aktienkurs an den prognostizierten zukünftigen Gewinnen. Wird erwartet, dass es das Unternehmen in überschaubarer Zukunft nicht mehr geben wird, sinkt bereits heute der Kurs. Aber Aktionäre wissen eben auch nicht immer, was ihre Manager so treiben.
Das sind die beiden verhängnisvollen Zutaten für eine Weltwirtschaftskrise: Aktionäre drängen Manager zu riskanten Unternehmensstrategien, diese versuchen darüber hinaus Gewinne kurzfristig zu maximieren.
Die Politik versucht gerade, die Systemfehler zu reparieren. Zum Beispiel müssen Banken in Zukunft mehr Eigenkapital halten, wodurch die Eigentümer bei riskanten Geschäften ihrer Manager mehr zu verlieren haben.
Außerdem müssen nach der Novellierung des Aktiengesetzes im vergangenen Jahr Vorstände bei schuldhaftem Verhalten teilweise mit ihrem privaten Vermögen haften. Eigentlich war das schon vorher so. Aber in der Vergangenheit hatten die Unternehmen für ihre Vorstände Versicherungen abgeschlossen. Jetzt darf die Versicherung nur noch eingeschränkt einspringen.
Und drittens kann jetzt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin), also der Aufseher über die Bankenbranche, die Auszahlung erfolgsabhängiger Gehälter an Banker unterbinden, wenn deren Banken Mindestanforderungen, wie zum Beispiel eine bestimmte Eigenkapitalquote, nicht erfüllen.
Die Deutsche Bank hat darauf bereits reagiert, belegt der Mann aus dem Wirtschaftsministerium. Von den 39 Millionen Euro, die 2009 an den Vorstand des Geldhauses ausbezahlt wurden, so Steinbach, seien lediglich 17 Prozent festes Gehalt, 83 Prozent erfolgsabhängig gewesen. Für 2010 dagegen seien die Grundgehälter der Vorstände um 350.000 Euro erhöht, die variable Vergütung um den gleichen Betrag gekürzt worden.
Der Journalist Hans-Ulrich Jörges hat Josef Ackermann einmal gefragt, warum er als reicher Mann überhaupt 14 Millionen verdienen müsse, warum es nicht auch sieben oder neun Millionen täten. Er brauche das Geld gar nicht, habe Ackermann geantwortet, er lebe bescheiden. Aber die ehrgeizigen jungen Leute in der Bank verlören ihre Motivation und den Respekt vor ihm, wenn er nicht nähme, was möglich sei.
Du versuchst oben zu belegen, dass es nicht die Gier sei, an der das System krank, sondern dass wir nach einem Schuldigen suchen. Doch im Laufe des Textes widersprichst Du dir selber:
“Und in dieser kurzen Zeit maximieren sie den Gewinn des Unternehmens, weil das in der Regel auch ihren Gewinn maximiert.”
“Aktionäre wollen Gewinne machen.”
“Die ehrgeizigen jungen Leute in der Bank verlören ihre Motivation und den Respekt vor ihm, wenn er nicht nähme, was möglich sei.”
Es geht um Gewinne. Aber es geht nicht nur um Gewinne, es geht um maximale Gewinne. Es geht darum, so viel zu kriegen oder zu nehmen wie möglich ist. Das ist erstmal einleuchtend und auch aus einer evolutionistischen Sicht logisch: Wer am meisten Nüsse sammelt, hat im Winter am meisten zu essen und wird überleben.
Doch dieser Sammlertrieb ist in unserer Zeit immer noch vorhanden, wir haben ihn perfektioniert und er führt dazu, dass wir immer versuchen viel mehr zu nehmen, als wir brauchen. Zur Absicherung, zur Beruhigung und weil es geht. Man kann das Gier nennen. Man kann es Überlebenstrieb nennen, man kann es Maßlosigkeit nennen.
Auf jeden Fall ist dieser Trieb nicht nur vorhanden, er wird gefördert, von uns allen. Brauchen wir das neue iPhone4S? Tut es unser altes nicht noch ein Jahr oder zwei? Brauchen wir wirklich schon wieder eine neue Winterjacke? Ein zweites Auto? Fernseher in jedem Raum?
Du hast Recht, wenn Du sagst, dass nicht die Banker allein schuld sind an diesem System und seiner Krise. Es sind wir alle. Aber die Banker haben ordentlich mitgemischt und sich einen fetten Teil des Kuchens geholt. Warum? Weil es ging. Und weil unser System so funktioniert. Fragt sich nur, wie lange noch.
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Der Mensch ist schult, weil er das Bankengeschäft geschaffen hat.
Und er hat es so geschaffen weil, er nie gelernt hat sich anders zu verhalten.(Geld -Macht-usw.)
Die gier ist im Menschen wie das gute und das böse, aber die Kontrolle sich zu zügeln hat er nicht.
Die Menschheit wird daran zugrunde gehen.
Ob wir immer wieder darüber reden, oder nicht, ändern können wir uns nicht.
Es soll glaube ich auch so sein, weil wir erst nach dem tot verstehen warum.
Das Leben ist eine Schule!
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Ein plastischer Versuch der Aufarbeitung all jener Bankenkrisen die bereits über uns hereingebrochen sind und es nach jetzigem Kenntnisstand wohl auch in Zukunft weiter tun werden. Abwägend im Stil! Letztlich sollte verantwortungsvolles Handeln wohl doch bei den Aktionären beginnen?!
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