Michael Spreng, der alte Haudegen, plaudert seit neuestem aus dem Nähkästchen. Spreng war lange Zeit Chefredakteur der Bild am Sonntag gewesen, und 2002, als Edmund Stoiber fast ins Kanzleramt eingezogen wäre, leitete er dessen Wahlkampf. Seit vergangenem Jahr betreibt Spreng ein Blog, es heißt „Sprengsatz“. Er schreibt darin über den Politikzirkus Berlin.
Auch Anekdoten finden dort ihren Platz. Zum Beispiel wie Spreng von Stoiber zum Wahlkampfmanager berufen wurde. Zuvor hätten sie zwei Stunden in Stoibers Büro über Themen, Strategien und Personal gesprochen. Spreng habe dabei die Bedingung gestellt, dass Stoiber keinen Ausländerwahlkampf führen dürfe. Keine Zuspitzung der Themen Zuwanderung, Integration und Staatsbürgerschaft, habe Spreng gefordert. Falls Stoiber dies vorhabe, könne er, Spreng, den Job nicht übernehmen. Stoiber sei verblüfft gewesen, habe dann aber zugestimmt und sich im Wahlkampf auch an die Abmachung gehalten.
Friedrich August von Hayek wird am 8. Mai 1899 als ältester von drei Söhnen des Arztes und Botanikprofessors August von Hayek und dessen Frau Felicitas in Wien geboren. Als Kind interessiert sich Fritz, wie er von seinen Eltern genannt wird, für Mineralogie, Insektenkunde und Botanik. Später beschäftigt er sich mit Fossilen und der Evolutionstheorie.
Spreng hat viel erlebt und vieles für sich behalten. Wer nahe an der Macht sein will, der muss schweigen können. Von diesen Zwängen hat sich Spreng nun befreit. Die politischen Analysen auf seinem Blog verschonen keinen.
Auch nicht die FDP. Die Zeit von Guido Westerwelle sei abgelaufen, prognostiziert er. Und: „Westerwelle hat nicht nur als Parteichef versagt, sondern auch als Außenminister.“ Es sei schon eine Kunst, in diesem Amt so unpopulär zu sein wie er, meint Spreng. Die FDP brauche dringend einen personellen Neuanfang und müsse sich zur radikalen Fortschrittspartei wandeln, die mutig die Tabus der großen Parteien in Frage stelle.
FDP und mutig. FDP und radikale Fortschrittspartei. Irgendwie wollen die Synapsen im Gehirn keine Verbindung zwischen den Wortpaaren erstellen. Und dennoch fällt einem diese Partei noch immer als erstes ein, wenn in politischen Diskussionen das Wort „liberal“ fällt. Liberal stammt vom lateinischen „liber“ ab, was „frei“ heißt. Aber was bedeutet das eigentlich? Was versteht man unter einer freiheitlichen Gesinnung? Welche Positionen müsste eine Partei vertreten, die sich für liberal hält? Und: Wann ist der Mensch wirklich frei?
Ab 1918 studiert Hayek an der Wiener Universität Rechtswissenschaften. Doch seine Leidenschaft gehört der Volkswirtschaftslehre und der Psychologie. Er besucht vor allem Vorlesungen in diesen beiden Fächern. 1921 wird er in der Rechtswissenschaft promoviert, 1923 in Volkswirtschaftslehre. Ab 1927 leitet er zusammen mit dem Ökonomen Ludwig von Mises das Österreichische Institut für Konjunkturforschung.
Vielleicht würde es das Internet-Lexikon Wikipedia ohne Friedrich A. von Hayek nicht geben. Der Ökonom und Jurist hatte zeitlebens gegen den Sozialismus gekämpft. Die sozialistische Vorstellung, das „Chaos der Märkte“ könne durch eine Gesamtplanung des Wirtschaftsprozesses ersetzt werden, verurteilte Hayek als nicht funktionsfähig. In einer arbeitsteiligen Welt sei auch das Wissen aufgeteilt und so hochkomplex, dass eine Gesamtplanung durch Institutionen nicht möglich sei. „Der Fortschritt ist das Ergebnis eines Prozesses, indem der Einzelne eine Rolle spielt, die er nie ganz verstehen kann“, so Hayek.
„Man kann meine Ideen von Wikipedia nicht verstehen, ohne Hayek verstanden zu haben“, sagt Jimmy Wales, der Wikipedia-Gründer. „Stell Dir eine Welt vor, in der jeder Mensch auf der Erde freien Zugang zur Summe allen menschlichen Wissens hat.“ Mit dieser Vision gründete Wales 2001 das Internet-Lexikon und machte es zum größten, populärsten und wahrscheinlich auch besten Lexikon. Weil er die Gedanken von Hayek verstanden hatte. Nicht eine einzige Institution, wie etwa ein Verlag, kann am besten das Wissen der Welt sammeln, viel erfolgreicher ist ein Lexikon, wenn es sich selbst füllt, von jenen, die dieses Wissen haben.
Hayek hat den Sozialismus bekämpft. Aber weniger, weil er ein solches Gesellschaftssystem als nicht funktionsfähig betrachtete, sondern weil es ein System der Unfreiheit ist. Denn wenn ein Staat vorgibt, wann was und wie viel produziert werden soll, dann muss er auch Menschen dazu verdonnern können, diese Vorgaben zu erfüllen. Er muss Zwang ausüben – das Gegenteil von Freiheit.
1931 wird Hayek als erster Ausländer an die London School of Economics berufen. Kurz darauf wird er einer breiten Bevölkerungsschicht durch die Leserbriefdebatte mit dem Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes bekannt. Der Cambridge-Ökonom fordert höhere Staatsausgaben zur Überwindung der Wirtschaftskrise, Hayek und andere Wissenschaftler der London School of Economics verteidigen einen ausgeglichenen Haushalt. 1950 wechselt Hayek an die Universität von Chicago, von wo er zunächst nicht mehr nach Europa zurück möchte, weil er einen weiteren Krieg befürchtet.
Als 1960 mit „Die Verfassung der Freiheit“ Hayeks Hauptwerk erscheint, ist der Ökonom in der Defensive. Im Kalten Krieg scheint der Sozialismus auf Augenhöhe mit dem Kapitalismus zu sein, in Wirtschaftskrisen setzen die meisten Regierungen – mit Verweis auf Hayeks Widersacher John Maynard Keynes – auf Verschuldung, und überhaupt zeigt sich, dass sich seit dem zweiten Weltkrieg liberale Gedanken weit weniger durchgesetzt haben, als sich Hayek das erhofft hatte. Gerade deshalb ist ihm das Buch so wichtig. „Es kann sein, dass sogar unser Überleben davon abhängt, ob es uns gelingen wird, einen genügend großen Teil der Welt um ein gemeinsames Ideal zu vereinigen, um sowohl gewaltsamen als auch ideologischen Angriffen standzuhalten“, glaubt Hayek, und ergänzt skeptisch: „Dieser Aufgabe stehen wir unter sehr ungünstigen Bedingungen gegenüber.“
Aber Hayek kämpfte nicht nur gegen den äußeren Feind (Sozialismus), sondern auch gegen die vermeintlichen Freunde der Marktwirtschaft. Denn die Freiheit, die Hayek vorschwebt, deckt sich so gar nicht mit jener, welche in den aufstrebenden Wohlstandsländern Verbreitung findet. Dort wird Freiheit vor allem als Möglichkeit definiert, sich etwas leisten zu können. Etwa zu entscheiden, wohin man in den Urlaub fährt oder welches Auto man sich kauft. Hayek nennt dies die „Freiheit der Macht“. Und er hält sie für gefährlich.
1962 kehrt Hayek dauerhaft nach Europa zurück und nimmt eine Professur an der Universität Freiburg an, wo er auch 1967 emeritiert wird. 1974 erhält Hayek für die Weiterentwicklung der Konjunkturtheorie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. In den 80er Jahren erfährt Hayek eine Renaissance: Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in England berufen sich mit ihrer Wirtschaftspolitik auf den Ökonomen. Hayek stirbt am 23. März 1992 in Freiburg.
Die Freiheit, für die Hayek kämpft, ist eine andere, es ist eine individuelle Freiheit. Sie definiert sich negativ. Nämlich durch die Abwesenheit von Zwang. „Freiheit ist immer eine Beziehung von Mensch zu Mensch, und der einzige Eingriff in diese Freiheit ist Zwang durch andere Menschen.“
Der Mensch, so schreibt Hayek, solle seinen eigenen Plänen und Absichten folgen können, sein Verhalten auf selbstgesteckte Ziele richten können und „nicht auf Notwendigkeiten, die andere geschaffen haben, damit er tue, was sie wünschen.“ Zwang sei ein Übel, „weil er auf diese Weise ein Individuum als denkendes und wertendes Wesen ausschaltet und es zum bloßen Werkzeug zur Erreichung der Zwecke eines anderen macht.“
Um dagegen an der „Freiheit der Macht“ teilzuhaben, müsse man persönliche Freiheiten aufgeben, ist Hayek überzeugt. „Ob ich mein eigener Herr bin und meiner eigenen Wahl folgen kann oder nicht, und ob andererseits die Möglichkeiten, unter denen ich wählen kann, viele oder wenige sind, sind zwei ganz verschiedene Fragen“, so Hayek. „Der Höfling, der im Schoße des Luxus, aber in ständiger Bereitschaft für seinen Herrn lebt, kann viel unfreier, weniger in der Lage sein, sein eigenes Leben zu leben (…) als ein armer Bauer oder Handwerker.“ Hayek, der Konsumkritiker.
Für eine erfolgreiche Parteipolitik taugen solche Überlegungen kaum. Nicht in der Wirtschaftswunderzeit. Auch nicht heute. Wir müssen verstehen, schreibt Hayek, „dass wir frei und zugleich elend sein können.“ Frei und elend, das will keiner hören. Die Menschen sollen im Zweifel auf Wohlstand verzichten und sich nicht zum Knecht der Arbeit oder ihrer Vorgesetzten machen, fordert Hayek implizit. Mit solchen Sätzen gewinnt kein Politiker Mehrheiten. Das klingt vielmehr nach Elfenbeinturm. Aber Hayek war Realist: „Wahrscheinlich gibt es Menschen, die die Freiheit, mit der wir uns befassen, gar nicht schätzen, die nicht einsehen, dass sie ihnen von großem Nutzen ist, und die bereit sind, sie um anderer Vorteile willen aufzugeben.“ Der liberale Hayek, das verwundert nicht, war nie Mitglied in der FDP. Auch in keiner anderen Partei.