Der Mensch neigt nicht zur Weitsicht. Nichts ist ihm wichtiger als die Gegenwart. Denn Gedanken über die Zukunft helfen wenig, wenn der Teller heute gefüllt werden muss. Je weiter der Blick in die Zukunft schweift, desto unwichtiger scheint sie uns.
Diese Prioritätensetzung ist verständlich, hat aber ihre Tücken, nämlich immer dann, wenn heutige Entscheidungen in der fernen Zukunft weitreichende Konsequenzen haben. Beim Rauchen ist das zum Beispiel so. Oder beim Klima.
Auch bei der Demografie. Wenn die Geburtenrate sinkt, spürt man die gesellschaftlichen Folgen anfangs kaum. Es werden zunächst weniger Hebammen, Kitas und Spielplätze benötigt, später weniger Schulen. Gravierend werden die Konsequenzen erst, wenn aus der Generation der Lernenden, die Generation der Arbeitenden wird. Denn was diese Generation erwirtschaftet, damit muss die Ausbildung der Jungen genauso finanziert werden, wie das Auskommen der Alten. Nur wenn das Verhältnis zwischen den Generationen einigermaßen ausgeglichen bleibt, bleibt eine Gesellschaft im Lot. Muss ein Arbeitender dagegen zu viele Junge und Alte unterstützen, nagen am Ende alle am Hungertuch.
Weil die Verhältnisse zu kippen drohen, diskutieren wir aktuell über die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Noch versuchen Besitzstandswahrer die Dinge zu belassen wie sie lange waren. Die Macht des Faktischen wird den Konservatismus in die Geschichtsbücher verbannen.
Denn wenn wir weiterleben wie bisher, sieht das Szenario düster aus. Spätestens ab dem Jahre 2025 wird das Bruttosozialprodukt sinken, schlicht deshalb, weil immer weniger Menschen am Arbeitsleben teilnehmen.
Die Sparquote wird ebenfalls abnehmen, weil der Mensch vor allem in der Phase des Arbeitslebens spart, damit er im Alter ein Auskommen hat. Sinkt die Zahl der Arbeitenden und die der Alten steigt, wird weniger Geld zurückgelegt. Die Sparquote aber ist das Spiegelbild der Investitionsquote. Nur gespartes Geld kann investiert werden. Ohne Investitionen aber kein Wachstum.
Und drittens steigt in einer alternden Gesellschaft die Inflationsgefahr. Die nimmt nämlich immer dann zu, wenn mehr Güter konsumiert als hergestellt werden. In der Gruppe der Alten ist aber genau dies der Fall, sie produzieren nicht, sondern konsumieren nur. Ab dem Jahr 2030 könnte die Inflationsrate auf über zehn Prozent steigen, so Expertenschätzungen.
Der Ausblick ist also düster. Allerdings: Die Prognosen werden so nur eintreten, wenn alles bleibt wie es ist. Hinzu kommt: Manches hört sich nur auf den ersten Blick dramatisch an. So kann etwa einer Inflationsgefahr durch eine entsprechende Geldpolitik entgegen gesteuert werden.
Oder die Prognose vom Schrumpfen der Wirtschaft: Sie ist schlicht relativ. Sinkt die Bevölkerungszahl eines Landes, nimmt freilich auch das Sozialprodukt ab. Aber ob 10 Leute 1000 Euro erwirtschaften oder 100 Leute 10.000 Euro ist pro Person betrachtet das Gleiche. Der Lebensstandard muss also durch ein abnehmendes Sozialprodukt nicht sinken.
Auch das Problem der fehlenden Investitionen ist möglicherweise gar nicht so ein großes. Es ist zwar theoretisch durchaus schlüssig, dass man vor allem während des Arbeitslebens für das Alter spart, und dass man im Alter dieses Ersparte dann ausgibt; die Praxis zeigt allerdings, dass das angesparte Vermögen nach der Verrentung nur zum Teil wieder ausgegeben wird. Offensichtlich denken viele ans Vererben, sie wollen ihren Kindern und Enkeln ein finanziell sorgenfreies Leben ermöglichen. Hinzu kommt: Weil viele langlebige Güter bereits im Laufe des Erwerbslebens angeschafft werden, sinkt mit der Rente die Konsumquote, was automatisch den Sparanteil nach oben treibt.
Bleibt ein einziges gravierendes Problem: das Verhältnis von Arbeitenden zu Nicht-Arbeitenden. Im Gegensatz zum Verhältnis von Alten und Jungen ist dies aber nicht unveränderlich. Wir werden in Zukunft länger arbeiten, der Anteil der berufstätigen Frauen wird weiter zunehmen und auch die Jungen werden früher ins Berufsleben einsteigen. Und wenn wir heute mehr in Bildung investieren, wird in Zukunft auch die Produktivität der Arbeit steigen. Dann kann mit weniger Aufwand, mehr erwirtschaftet werden. Die Zukunft ist nicht düster, wenn wir heute beginnen, sie zu erhellen.
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Weiterführende Links:
- Die ökonomischen Konsequenzen der gesellschaftlichen Alterung, Thomas Lindh, Bo Malmberg, Thieß Petersen, Wirtschaftsdienst 01/2010
- Die demokratische Herausforderung, Frankfurt am Main 2002
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Stefan Sippell sagt:Ich danke Sebasadtian ffcr seine schlauen und klug foradmuadlieradten Fraadgen, die ffcr mich sehr pre4adzise das Proadblem behrsceiadben, das ich auch mit dieadsem Maniadfest — vieladleicht aber sogar mit Maniadfesadten fcberadhaupt — habe. Kurz gesagt: Ich halte nicht viel von Appeladlen, weil ich ihnen nicht besonadders viel zutraue. „Appeladliadtis“ hat Luhadmann (nicht der Holzadhe4ndadler) das genannt und darin spf6tadtisch eine Krankadheit diaadgnosadtiadziert: „[…] im Prinadzip harmadlos, keiadnesadfalls lebensadgeadfe4hradlich; aber ffcr den, der davon befaladlen ist, zeitadweise doch recht schmerzadhaft. Man sieht das an eigenadtfcmadliadchen Zuckunadgen und an der Hefadtigadkeit und Insisadtenz, mit denen der Kranke agiert und andere anzuadsteadcken versucht.“ Noch einige durch Sebasadtian angeadregte voradle4uadfige Anmeradkunadgen (nicht streng sysadtemadtheoadreadtisch durchadgeadffchrt): Ich denke, dadf die Unteradscheiaddung „slow“/„fast“ ganz grundadse4tzadlich in die Irre ffchrt — oder zuminaddest nichts zur Pre4adziadsieadrung des Proadblems bzw. der Funkadtiadonsadweise „neuer“ Medien beiadtre4gt. Man kann, daradauf wurde ja auch schon oft genug veradwieadsen, langadsam twitadtern oder schnell, und schon den Mf6nadchen im Mitadteladaladter war zuzuadtrauen, eine Handadschrift auch mal schneladler runadter– bzw. rausadzuadhauen anstelle Monate an einem einadziadgen Buchadstaadben heradumadzuadzeichadnen. Geht es nicht vieladmehr um die Frage, die dann alleraddings gar keine neue (sonaddern typisch masadsenadmeaddiale) we4re: Wie le4dft sich „Neues“ oder gar „Releadvanadtes“ sagen — unter den alleraddings neuen Bedinadgunadgen eines andeadren Veradbreiadtungsadmeaddiadums, das die Unsiadcheradheiadten daradfcber weiadter erhf6ht, ob das Neue nicht schon x-fach gesagt wurde oder das veradmeintadlich Releadvante wirkadlich releadvant sei (und ffcr wen)? Wer sollte daradfcber entadscheiadden, wenn die Anschludf– und Irriadtaadtiadonsadmf6gadlichadkeiadten durch das neue Veradbeiadtungsadmeaddium „Netz“ expoadnenadtiadell gestieadgen sind — und also potenadtiadell beiadnahe „jeder“ daradfcber mitadentadscheiaddena0kann? Ich lese das Maniadfest also viel eher als Ausaddruck einer reichadlich difadfuadsen Sehnadsucht nach einer Pre4admoadderne, die es so wohl auch nie gegeadben hat — auch wenn die Maniadfestadauadtoadren wieadder und wieadder betoadnen, „slow“ mit allen „fasadten“ Mitadteln der Zeit sein zu woladlen. Sehnadsucht nach moraadlisch codieradten, also „guten“ Autoadriadte4adten, die Irriadtaadtiadonsadfcberadschfcsse abbauen und damit — von vieadlen bestimmt gewfcnschte — Entadlasadtungsadfunkadtioadnen anbieadten. Eine Art Manuadfacadtum im Netz (aber interadesadsanadteradweise scheint auch dieadser Kataadlog immer dicker zu weradden und mitadhin: unfcberadsichtadliadcher). Dieadser Sehnadsucht Ausaddruck zu veradleiadhen, ist im Genre der sog. „schf6adnen Liteadraadtur“ fcbriadgens schon zu den veradgleichsadweise sloadwen Zeiadten der frfcadhen 1980er Jahre Sten Nadolny gelunadgen: „Die Entaddeadckung der Langadsamadkeit“ heidft das Buch, das mich mit den Mitadteln der Kunst unteradhe4lt, anstelle mich mit den Mitadteln der Moral belehadren zu wollen.Wenn es nur um die Anreadgung gehen sollte, sich bei dem, was man tut, anzuadstrenadgen und um Quaadliadte4t zu bemfcadhen (also zum Beiadspiel auch bei Tweets und in Blogs die Regeln der Rechtadschreiadbung und Gramadmaadtik zu beachadten — ein Hinadweis, der ausaddrfcckadlich nicht gezielt auf die Maniadfestadauadtoadren gemfcnzt ist), dann mudf man nicht so viele Worte machen. Dann genfcgt es mal wieadder, sich an Bieadleadfeladder Phanadtome zu haladten, wie bereits getadwitadtert: „Es mudf gut gemacht sein.“ Dem kf6nnadten bestimmt auch Lfcneadburadger Holzadhe4ndadler Luhadmann zustimadmen. (Danke an @PBBMarx ffcr den iroadniadschen Hinweis.) Und ein kluadger, finadgeradferadtiadger Taschenadspieadler ist mir alleadmal lieadber als ein erhoadbeadner Zeigefinger.Nichts ffcr ungut, vielea0Grfcdfe,Steadfan
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