Das Dagobert-Duck-Syndrom: Was ist Reichtum heute wert? Immer weniger!

Um Dagobert Duck zu verstehen, muss man seine Vergangenheit kennen. Muss wissen, was die reichste Ente der Welt getrieben hat, bevor sie sich einen monumentalen Geldspeicher auf dem Hügel vor Entenhausen errichten ließ, um jeden Morgen genüsslich vom Sprungbrett kopfüber ins Talermeer einzutauchen.

Dagobert Duck wurde 1867 in schottischen Glasgow als Sohn einer verarmten Adelsfamilie geboren. An seinem zehnten Geburtstag schenkt ihm sein Vater einen Schuhputzkasten, mit dem verdient er sich seinen ersten Zehner. Als er mit 13 Jahren genug beisammen hat, folgt er seinem Onkel Diethelm nach Amerika. Die Überfahrt verbringt er als Schiffsjunge auf einem Viehtransporter. Nach vielen Höhen und Tiefen wird Dagobert Goldgräber und stößt in Kanada auf eine Goldader. Damit ist die Basis für sein Wirtschaftsimperium gelegt, das ihn 1930 zum Ziel seiner Träume bringt: Er wird die reichste Ente der Welt.

Der US-amerikanische Comictexter und -zeichner Don Rosa beschreibt diese fiktive Lebensgeschichte des Fantastilliardärs in dem Buch „Onkel Dagobert – Sein Leben, seine Milliarden“. Es beruht in großen Teilen auf Andeutungen und Indizien zu Dagobert Ducks Leben in den Geschichten von Carl Barks, der die Figur erfand.

Was das Buch interessant macht, ist die beispielhafte Beschreibung jener Motivation, die Menschen das Geld um des Geldes wegen lieben lassen. Menschen, die Reichtum weniger ob seiner materiellen, als seiner immateriellen Vorteile schätzen. Sie wollen Geld besitzen, weil sie Geld besitzen wollen. Sie versprechen sich davon Anerkennung und Sicherheit.

Oft liegt dem Fetisch eine traumatische Kindheitserfahrung zu Grunde. Oft haben diese Menschen Armut mit all ihren Härten erlebt. Die Angst, wieder in die Armut zurückzufallen, treibt sie an. Und ihr Mittel gegen diese Angst ist die Geldhortung. Die gibt ihnen Sicherheit. Sie könnten, wenn sie wollten, jederzeit alles kaufen. Aber sie leisten sich nichts. Gar nichts. Sie klammern sich lieber an ihr Geld. Das beruhigt sie.

Geld ist eine optimale Projektionsfläche. Weil es nichts ist als ein Stück bedrucktes Papier, aber man fast alles mit ihm bekommen kann. Es macht seinen Inhaber mächtig, so mächtig, dass man ihm teure Uhren aushändigt, er Luxusreisen antreten kann, ja sogar Frauen und Männer ihm gefügig werden. Lediglich genug dieser Papierstücke muss man besitzen.

„Das Geld ist vielen Menschen, darunter auch manchen Ökonomen, seit jeher suspekt“, schreibt Wirtschaftsprofessor Ulrich van Suntum in seinem lesenswerten Buch „Die unsichtbare Hand“. Geld verkörpere einen Wert, obwohl es von seinem Stoffgehalt her völlig wertlos sei. „Einen Geldschein kann man offenbar weder essen noch sonstwie sinnvoll verwenden, außer vielleicht als Brennmaterial.“

Entstanden ist das Papiergeld aus reiner Notwendigkeit. Als man nämlich im 17. Jahrhundert dazu überging, größere Zahlungen nicht mehr in Form von Goldtransporten zu leisten. Die Transporte waren teuer und wurden häufig ausgeraubt. Stattdessen hinterlegte man das Gold in einer Bank, die darüber einen Beleg aushändigte. Dieser Beleg konnte dann bei einer anderen Bank wieder in Gold eingetauscht werden. Dies war die Geburtsstunde der Banknote. So genannte Zettelbanken entstanden, eine der ersten war die Bank von Amsterdam im Jahre 1609.

Im Vergleich zu Banknoten gibt es Geld bereits viel länger. Salz hat schon als Geld gedient, Muscheln und natürlich Gold. Alles was knapp, haltbar, halbwegs standardisierbar und gut zu handhaben ist, hat das Potenzial zum Geld. Drei Bedingungen müssen erfüllt sein: Es muss als Recheneinheit anerkannt sein, als Wertaufbewahrungsmittel taugen und als Zahlungsmittel allgemeine Verwendung finden.

Recheneinheit, Wertaufbewahrungs- und Tauschmittel – an der Definition von Geld zeigt sich dessen Nutzen:

  • Geld hilft beim Vergleichen (Das Essen in der Kneipe um die Ecke ist günstiger als beim schicken Griechen).
  • Geld taugt zum Vermögensaufbau (Wenn das Sparschwein lang genug gefüttert ist, kann davon ein Gebrauchtwagen gekauft werden).
  • Geld erleichtert den Einkauf (Mit der gleichen Banknote kann sowohl das Brot beim Bäcker als auch die Pizza beim Italiener bezahlt werden).

Nicht zur Definition von Geld gehört, dass es um seiner selbst Willen nützlich sei. Für die Dagobert Ducks dieser Welt ist es dies aber. Weil der Besitz von Geld sie in vermeintlicher Sicherheit wiegt. Als sei, wer genug Geld besitzt, gegen alle Gefahren des Lebens gefeit.

Die Liebe zum Geld wird häufig noch aus einem zweiten Grund gefördert: Geld erhöht den Status. Wer reich ist, gewinnt an gesellschaftlicher Akzeptanz. Warum das so ist? Reichtum nutzt meist nicht nur jenen, die bereits reich sind. Der Reiche fördert durch seine Steuern, aber auch durch seine Geschäfte, den Wohlstand der anderen mit.

Deshalb wird ein solches (Arbeits-)verhalten von der Gesellschaft wertgeschätzt. Gerade in armen Volkswirtschaften (zum Beispiel Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg) gilt wer viel arbeitet als integer. Schon immer war die Moral das Mittel der Gesellschaft, ihre Ziele gegenüber abweichenden Einzelinteressen (zum Beispiel faul sein) durchzusetzen.

Hinzu kommt: In unvermögenden Volkswirtschaften gilt der Reiche als Vorbild. Wenn er es geschafft hat, kann ich es auch schaffen, so die Hoffnung jener, die zu den Reichen aufschauen, um von ihrem Verhalten zu lernen.

Doch die immateriellen Gründe der Vermögensmehrung fallen in entwickelten Volkswirtschaften zunehmend weg. Weil erstens die Erfahrung von Armut kaum einer mehr macht: Wer immer genug zu Essen hat, der wird Geld nicht krankhaft horten. Und weil zweitens Reiche in wohlhabenden Gesellschaften weniger Bewunderung und Anerkennung erfahren. Denn wer im Überfluss aufgewachsen ist, wird sich Reiche, nur weil sie reich sind, kaum zum Vorbild nehmen; und eine Gesellschaft, die nicht mehr um ihr Überleben kämpfen muss, wird jene Mitbürger, die durch ihren Reichtum der Gemeinschaft helfen, weniger goutieren.

Die Folge: Reichtum verliert an Wert, nämlich seinen immateriellen. Der Wert reduziert sich in der Wohlstandsgesellschaft auf seinen eigentlichen, nämlich den materiellen. Reiche wohnen in schöneren Häusern, fahren schnellere und sicherere Autos und wenn sie im Krankenhaus landen, operiert sie der Chefarzt.

Dagobert Duck würde für all das keinen Kreuzer ausgeben. Auch nicht für den Chefarzt. Obwohl Dagobert Duck mittlerweile das ein oder andere Wehwehchen haben dürfte. Immerhin ist der Mann mit dem Backenbart und dem roten Gehrock bereits 142 Jahre alt.

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