„Wir sollten eine demokratische Kontrollinstanz für Quasi-Monopole der Informationsgesellschaft aufbauen.“

Irgendwann wird es den allwissenden Computer geben. Davon ist Wolfgang Sander-Beuermann von der Leibniz-Universität Hannover überzeugt: „Vielleicht in ein paar Jahrzehnten, vielleicht braucht es noch Jahrhunderte, das weiß keiner.“

Dieser Rechner werde dann ähnlich funktionieren wie der Bordcomputer des Raumschiff Enterprises: ein Computer, der mit den Menschen kommuniziert. Der auf eine Anfrage nicht tausende Antworten ausgibt, wie es bei Suchmaschinen heute der Fall ist; sondern ein Computer, der zurückfragt und zwar so lange, bis der Computer am Ende nur eine einzige Antwort ausspuckt, die richtige Antwort.

„Wir stehen bei der Informationsverarbeitung noch ganz am Beginn“, ist Sander-Beuermann überzeugt und belegt dies mit Physik. Denn der Energieaufwand der Informationsverarbeitung lasse sich berechnen. Das Ergebnis seiner Berechnungen: „IT-Systeme könnten theoretisch das Billionenfache leisten!“ Der aktuell geringe Wirkungsgrad sei typisch für Technologien im Anfangsstadium, so der Wissenschaftler. Das sei bei der Erfindung der Dampfmaschine genauso gewesen.

Die Gegenwart der Informationsgewinnung heißt Google. In Deutschland werden mehr als 90 Prozent der Suchanfragen über das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien gestellt. In den vergangenen Jahren hat Google praktisch sämtliche Konkurrenten verdrängt. „Im Jahr 2000 gab es in den USA noch 26 Suchmaschinenanbieter, heute sind es mit Ask.com, Yahoo, Microsoft und Google gerade noch vier“, sagt Ferdinand Pavel, von DIW econ, einer Unternehmensberatung, die zum Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gehört.

Im Auftrag des Google-Konkurrenten Microsoft hat Pavel eine Studie angefertigt, welche die Konzentration im Suchmaschinenmarkt belegen und Ursachen der Konzentration aufzeigen soll. Pavel stellte die Studie am Mittwoch beim “Lunchtime Meeting” des DIW in Berlin vor.

Zur Belegung der Google-Dominanz braucht es aber auch keine neuen Zahlen. Spannender ist die Frage, wie die Vormachtstellung zu Stande kommt und ob der Staat dagegen vorgehen soll. Bekannt ist: Die digitale Welt neigt zur Monopolbildung, zu so genannten natürlichen Monopolen. Die entstehen immer dann, wenn die Größe eines Unternehmens ein entscheidender Wettbewerbsvorteil ist. Wenn wer groß ist, immer größer wird.

Auch im Suchmaschinen-Markt sind diese Effekte zu beobachten. Dort gibt es hohe Fixkosten (Entwicklung einer Suchmaschine), aber nur geringe variable Kosten (Ein zusätzlicher Nutzer auf der Suchseite kostet Google praktisch nichts). Dadurch entstehen so genannte Skaleneffekte: Je mehr Google nutzen, desto geringer die Durchschnittskosten des Unternehmens.

Hinzu kommen so gennante Netzwerkeffekte: Je umfangreicher Google genutzt wird, desto mehr Informationen erhält das Unternehmen über das Suchverhalten. Google kann so seine Suchtechnik aufgrund seiner Größe stetig verfeinern. „Die Lücke zur Konkurrenz wird immer größer“, sagt Pavel, „und damit das Suchmaschinenmonopol zunehmend schwer angreifbar.“

Die Nutzer haben von der Monopolstellung bisher wenig bemerkt. Die meisten schätzen die weit über das Suchangebot reichenden innovativen Google-Dienste, zumal sie meist kostenlos sind.

Andere spüren die Monopolstellung zunehmend. „Man steht da wie paralysiert und fragt sich, wie die sich das leisten können“, sagt Klaus Ahrens, geschäftsführender Gesellschafter der Medienagentur Pilot 1/0. Ahrens kauft für seine Kunden Anzeigeplätze bei Google ein. Anfangs habe es Rabatte und Ermäßigungen für große Abnehmer wie ihn gegeben. Das hat Google mittlerweile alles gestrichen. Seit diesem Jahr wird nicht mal mehr Skonto gewährt. Was Ahrens so aufregt: Es habe keine Diskussion, kein Gespräch gegeben. „Man hat es uns mitgeteilt, fertig.“

Der Wissenschaftler Sander-Beuermann (der wie Ahrens bei der DIW-Veranstaltung referierte, hier seine Präsentation), fordert deshalb mehr Überwachung: „Wir sollten eine demokratische Kontrollinstanz für Quasi-Monopole der Informationsgesellschaft aufbauen.“ Außerdem müsste die Informationskompetenz der Nutzer gestärkt werden, damit diese unterschiedliche Suchmöglichkeiten verwendeten.

Denkbar, so Sander-Beuermann, sei aber auch, dass sich das Problem von alleine reduziere. Weil wir uns immer stärker über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter informierten. Vertrauenswürdige Informationen würden immer wichtiger, so der Forscher. „Ich selbst habe Twitter lange für irrelevant gehalten, mittlerweile besuche ich die meisten Webseiten aufgrund von Empfehlungen meiner Twitter-Freunde.“

3 thoughts on “„Wir sollten eine demokratische Kontrollinstanz für Quasi-Monopole der Informationsgesellschaft aufbauen.“

  1. @Johannes Eber

    Das Grundproblem ist, denke ich, dass wir so eine Situation mit globalen Monopolen dieser Größenordnung und dieses Einfluss-Potenzials auf menschliches Denken noch nie gehabt haben. Daher kann man nicht vorhersagen, wie sich das weiterentwickelt. Aber allein auf Selbstregulierung zu vertrauen, ist mir zu wenig (das ist im Bankengewerbe schon schief genug gegangen). Ich denke, wir brauchen dieses Bündel von 3 Herangehensweisen:

    * Informationskompetenz auf breiter Basis

    * Schaffung/Förderung von Alternativen

    * demokratisch legitimierte Kontrollinstanzen

    Schöne Grüße von Hannover nach Berlin!

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  2. @Wolfgang Sander-Beuermann:

    Danke für den Hinweis. Ich sehe den Punkt. Allerdings: Zeigt eine Verschiebung nicht auch, dass die Monopole in den digitalen Branchen die Tendenz haben zu zerfallen? Wenn dem so ist, dann sind die negativen Folgen von Monopolen für den Konsumenten/Nutzer geringer. Denn die Monopolisten können sich dann weniger monopolistisches Verhalten (schlechter Service, hohe Kosten etc.) erlauben.

    Außerdem: Möglicherweise kommt es nicht nur zu einer Verschiebung. Vielleicht ändert sich die Informationsverteilung von einem Anbieter (Google) hin zu mehreren (Google, Facebook, Twitter etc.).

    Beste Grüße und danke für den interessanten Vortrag.

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  3. Hier gibts ein Missverständnis:
    “Denkbar, so Sander-Beuermann, sei aber auch, dass sich das Problem von alleine reduziere. Weil wir uns immer stärker über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter informierten.”

    Das Problem würde sich dadurch weder lösen noch reduzieren: es verschöbe sich nur.

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