Der iPhone-Gott will mit Apple nichts mehr zu tun haben. Er hat genug. Gibt auf. Will zurück in die Freiheit. – Ganz lapidar hatte Joe Hewitt seine Entscheidung in die Welt getragen: „Es ist Zeit für mich, etwas Neues zu probieren“, twitterte er vor wenigen Tagen, um auf Nachfrage dann doch seine Leidensgeschichte zu offenbaren.
Hewitt ist Programmierer bei Facebook. Damit man auch auf Apples iPhone verfolgen kann, was die Facebook-Freunde so treiben, hat Hewitt eine Software geschrieben, eine so genannte App. Über 100.000 solcher Programme gibt es mittlerweile für das iPhone.
Hewitt galt als einer der besten App-Programmierer. Jetzt steigt er aus, weil er sich von Apple bevormundet und gegängelt fühlt. Wegen des internen Prüfungsverfahrens bei Apple. Jede Software, die im so genannten App-Store angeboten werden will, muss zuvor diese Prüfung durchlaufen. Diese wird von Hewitt (und vielen anderen) als zu strikt und undurchsichtig kritisiert. Manche Entwickler warten Wochen und Monate auf die Zulassung ihrer Software, anderen wird sie mit unverständlichen Begründungen ganz verweigert.
Typisch Apple! Auf Transparenz legte der Computerkonzern aus dem kalifornischen Cupertino noch nie gesteigerten Wert. Wichtiger sind ihm: Geheimniskrämerei und Abschottung. Dabei scheinen diese Prinzipien so gar nicht zur modernen Computer- und Internetwelt zu passen. Dort ist vermeintlich alles offen, jede Information nur ein Klick weit entfernt, Zusammenarbeit wichtiger als Konkurrenz, Arbeitsteilung das A und O.
Aber Apple ist anders. Man will fast alles selbst machen. Teure Berater rund um den Globus verkünden (bevorzugt in Krisenzeiten), dass sich jedes Unternehmen auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren habe. Verkürzen Sie Ihre Wertschöpfungskette, raten sie. Bieten Sie nur an, was Sie am besten können!
Apple schert sich um solche Ratschläge nicht: Das eigens entwickelte Betriebssystem (OS X) läuft ausschließlich auf den eigens produzierten Rechnern; man steigt mit neuen Produkten (iPhone) in fremde Branchen (Telefonmarkt) ein; schenkt dem Handel keinen Cent, indem man vorwiegend in eigenen Apple-Stores verkauft; und lässt sich eben auch bei den Apps fürs iPhone nicht vorschreiben, wann welche Software zu erscheinen hat.
Apple ist anders, und Apple ist erfolgreich. So erfolgreich wie noch nie. Die jüngsten Quartalszahlen haben die Erwartungen der Finanzexperten mal wieder deutlich übertroffen. Mehr als 3 Millionen Mac-Computer, über 10 Millionen iPods und 7,4 Millionen iPhones – so viele Geräte hat Apple allein in den Monaten Juli, August und September verkauft. Der Umsatz stieg auf fast 10 Milliarden Dollar (ein Plus von 25 Prozent im Vergleich zum gleichen Vorjahresquartal) und der Gewinn legte auf 1,67 Milliarden Dollar zu (plus 46 Prozent).
Jetzt ist Apple sogar in Sichtweite der Nummer eins, Microsoft. 180 Milliarden Dollar ist Apple mittlerweile an der Börse wert und übertrifft damit Branchenriesen wie Google (174 Milliarden Dollar), IBM (159), HP (114), Intel (109) oder Dell (29). Analysten schätzen, dass der Preis pro Aktie auf 280 Dollar steigen könnte. Dann würden alle Apple-Aktien zusammen 250 Milliarden Dollar wert sein, genau so viel, wie alle Microsoft-Aktien heute.
Wenn aber das Geschäftsmodell von Apple eigentlich von gestern ist, warum ist das Unternehmen dann so erfolgreich?
Es ist die Leidenschaft – eine Eigenschaft, die sich vorwiegend in eigentümergeführten Unternehmen findet. Im Haushaltswaren-Laden um die Ecke oder beim Brillengeschäft am Marktplatz erlebt man die damit verbundene Einstellung häufig: Man wird freundlich bedient, gut beraten, nicht übers Ohr gehauen. Dort, wo der Ladenbesitzer selbst am Werk ist, werden die Wünsche der Kunden am häufigsten erfüllt.
Der Vorteil gegenüber anderen Unternehmensformen: Zumindest für den Chef ist der Beruf mehr als nur ein Job. Der hat viel Zeit und Geld investiert. Es geht ihm um Erfolg, manchmal sogar um die Existenz. Dafür ist er bereit, besonders viel zu leisten. Gute Voraussetzungen für eine positive Geschäftsentwicklung.
Um die Existenz geht es bei Steve Jobs schon lange nicht mehr. Aber Apple ist Jobs Lebenswerk. Er hat das Unternehmen 1976 gegründet und besitzt heute 5,5 Millionen Apple-Aktien. Er hat also viel zu verlieren. Seine Leidenschaft und seine Intelligenz haben Apple aus der Versenkung geholt. Weil er, wie kaum ein zweiter, immer wieder Antworten auf die beiden wichtigsten Fragen findet: Was wollen die Kunden? Wofür sind sie bereit, (möglichst viel) Geld zu bezahlen? – Für einfache Bedienung? Ja. Für gute Verarbeitung? Ja. Für tolles Design? Ja.
Hinzu kommt: Steve Jobs hat früh erkannt, dass seine Hard- und Software der Schlüssel für weitere Geldquellen ist. Von jeder verkauften App fürs iPhone erhält Apple 30 Prozent. Und nirgendwo im Internet wird mehr Musik erworben als bei iTunes. 80 Prozent aller Käufe werden über die Software abgewickelt. Die Apple-Gewinnmarge pro verkauftem Song: immerhin 3 Prozent.
Apples Erfolg aber ist auch Apples Gefahr. Dem Vorteil eigetümergeführter Unternehmen steht ein Nachteil gegenüber: Was passiert, wenn der Eigentümer einmal abtritt? Als Jobs im Januar diesen Jahres eine krankheitsbedingte Auszeit von einem halben Jahr verkündetet, sackte die Apple-Aktie um 10 Prozent ab.
An das Ende des Erfolgsduos Apple und Jobs denken aber zumindest die Börsen zur Zeit nicht. Die kurze Sicht dominiert die lange. Jobs, so wird erwartet, wird alsbald die nächste Revolution einläutet, und zwar in Form eines neuen Apple-Computers, dem Tablet.
Darunter versteht man einen Computer, der vor allem aus einem berührungsempfindlichen Display besteht, also keine Tastatur braucht. Das Tablet soll der bessere E-Book-Reader werden. Das wird für Apple vermutlich nicht allzu schwer werden, betrachtet man Design und Handhabung der aktuellen Reader. Außerdem soll das Tablet mehr können: Es soll Spielkonsole, DVD-Player, Musikspieler sein; und natürlich wird man mit dem neuen Computer auch im Internet surfen können.
„Apple wird mit seinem Tablet jeden sprachlos machen“, formuliert jüngst eine Börsen-Analystin ihre hochgesteckten Erwartungen. Bisher hat Jobs diese meist übertroffen.
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Dieser Artikel erscheint im Südkurier.
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