Stephen Wolfram war ohne Zweifel ein Wunderkind: 1975, mit 15 Jahren, veröffentlicht er einen Artikel über Teilchenphysik; ein Jahr später beginnt er ein Physikstudium an der Oxford-Universität; und mit 20 macht er seinen Doktor in theoretischer Physik. Wolfram aber ist nicht nur hochbegabt, sondern auch geschäftstüchtig: 1987 gründet er das Unternehmen Wolfram Research, ein Jahr später bringt er die von ihm entwickelte Software “Mathematica” auf den Markt. Noch heute ist es das Standardwerkzeug für viele Wissenschaftler – eine Art universeller Computer-Werkzeugkasten für mathematische Modelle.
Jetzt, mit 49 Jahren, will es Wolfram mit Google aufnehmen. Am 5. März kündigte er auf seinem Blog eine neuartige Suchmaschine mit dem Namen Wolfram-Alpha an. In wenigen Tagen soll sie an den Start gehen. Die Idee dahinter: Im Unterschied zu Google sollen bei einer Anfrage nicht seitenweise Link-Listen ausgespuckt werden, vielmehr will die Suchmaschine konkrete Antworten auf Fragen geben. Wie viel ist das Molekulargewicht von Koffein geteilt durch das von Wasser? Wie hoch ist die Lebenserwartung eines 40-jährigen Mannes in Italien heute im Vergleich zu 1933? Wie war das Wetter in Princeton an dem Tag, als Kurt Gödel starb? Das sind Fragen, auf die Wolfram-Alpha eine Antwort haben will. Denn die Suchmaschine funktioniert nach einer speziellen Logik: Sie speichert einzelne Informationen und bringt sie je nach Fragestellung in einem neuen Kontext wieder zusammen. Während man bei Google Antworten nur indirekt über Links findet und auch nur dann, wenn diese Antworten im Netz bereits vorhanden sind, verspricht Wolfram-Alpha die Neuberechnung und Zusammenfügung von Einzelinformationen.
Die Grundlage hierfür liefert die Semantik. Dabei versucht man dem Computer die Bedeutung von Wörtern und den Sinnzusammenhang von Sätzen beizubringen. Information wird so für den Computer verstehbar, Inhalte können dadurch miteinander verknüpft werden. Das Problem: Damit eine solche Suche erfolgreich ist, muss das Web nicht erst bei der Suchanfrage, sondern bereits im Voraus nach sinnvollen Inhalten durchsucht werden. Das ist bei der quasi unendlichen Größe des Internets ein schwieriges Unterfangen. Die semantische Suche hat deshalb bisher nur in geschlossenen Datenräumen Einzug gehalten. Zum Beispiel in Unternehmen. Die Daten werden dort strukturiert, in Kategorien geordnet, und dadurch bei einer Anfrage bereits aufbereitet dem User zur Verfügung gestellt. “Die Semantik macht dann die Suche überflüssig”, so Jörg Wurzer vom Schweizer Suchmaschinen-Anbieter Iqser gegenüber der FAZ.
Letztendlich will die neue Suchmaschine des Zahlengenies Wolfram mit Hilfe der Mathematik Expertenwissen generieren. “Wolfram Alpha ist, als ob man sich in ein gewaltiges elektronisches Gehirn einstöpselt”, schreibt der Technikexperte Nova Spivack, einer der ersten Tester der Suchmaschine auf seinem Blog. In wenigen Tagen kann sich unter der Adresse http://www.wolframalpha.com jeder selbst ein Bild davon machen.