Ursula von der Laien – Die Familienministerien will gegen das Geschäft mit der Kinderpornografie kämpfen und ebnet der Zensur den Boden

Die Wut hat sie sogar auf die Straße getrieben. Jene, die gerne den ganzen Tag vor dem Monitor verbringen, und deren bevorzugtes Kommunikationsmittel digitaler Natur ist, hatten Plakate gemalt und waren demonstrieren gegangen. Rund 250 Netzaktivisten sind vor wenigen Tagen in Berlin zum Bundespresseamt gezogen. Der Anlass der Demo fand im Gebäude statt. Die fünf größten deutschen Internetanbieter, darunter auch die Deutsche Telekom, unterzeichneten in Anwesenheit von Familienministerin Ursula von der Leyen einen Vertrag mit dem Bundeskriminalamt (BKA). In diesem verpflichten sich die Netzanbieter, mit der Polizeibehörde zu kooperieren. Identifiziert diese Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten, verpflichten sich die Provider, die Seiten sofort zu sperren.

Die Familienministerin hat ein (Wahlkampf-)Ziel ausgegeben: Dem Geschäft mit der Kinderpornografie soll die Grundlage entzogen werden. Das klingt engagiert, da kann jeder zustimmen, das bringt Sympathie – müsste man meinen. Es ist aber nicht so. Im Internet hat Ursula von der Leyen eine Welle der Empörung losgetreten. Blogschreiber und Internetexperten stellen sich gegen die Initiative. „Zensursula“ wird die Familienministerien dort spöttisch genannt. Denn die Kritiker befürchten die schleichende Einführung von Zensur im Netz. Auch weil sie es nicht beim freiwilligen Vertrag zwischen BKA und Netzbetreibern belassen will. Im Kabinett hat sie bereits gegen den Widerstand von Justizministerin Brigitte Zypris ein Gesetz durchgebracht, das die Internetanbieter verpflichten soll, mit dem  Bundeskriminalamt  zusammenzuarbeiten. Am Mittwoch, den 6. Mai, kommt es mit der ersten Lesung in den Bundestag. 

Der heftige Widerstand gegen das Vorhaben verwundert. Denn wer ein Gesetz gegen Kinderpornografie bekämpft, läuft Gefahr, in die Pädophilie-Ecke gestellt zu werden. Aber dort würden die Kritiker zu Unrecht stehen. Der Widerstand ist berechtigt. Das Gesetz ist laienhaft,möglicherweise verfassungsfeindlich und vermutlich weitgehend unwirksam. Wahrscheinlich würde es dem Kampf gegen Kinderpornografie sogar einen Bärendienst erweisen.

Denn erstens findet der Tausch von kinderpornografischem Material heute kaum noch im Internet statt. Bilder und Videos werden auf dem Postweg verschickt. Von einem Millionengeschäft, das es auszutrocknen gelte, wie es aus dem Familienministerium gerne tönt, kann nicht die Rede sein. Die Szene ist überschaubar groß. Man kennt sich. Es geht meist nicht um Geschäfte, sondern um „Freundschaftsdienste“.  

Zweitens: Die geplanten Internet-Sperren sind einfach zu umgehen. Mit dem Gesetz sollen nämlich die entsprechenden Seiten nicht entfernt, sondern lediglich der Zugriff auf sie verwehrt werden. Wie man an diesen Sperren vorbei kommt, lässt sich über Google in Sekundenschnelle finden und lernen. Und die Erfahrungen anderer Länder zeigen: Sind die Sperren erst einmal implementiert, lässt der Eifer der Strafverfolgungsbehörden, solche Seiten vollständig aus dem Netz zu nehmen, deutlich nach.

Drittens, und das ist der wichtigste Kritikpunkt: Das Gesetz von Ursula von der Leyen sieht vor, dass nicht Richter darüber entscheiden, welche Seiten gesperrt werden, sondern lediglich das Bundeskriminalamt. Die Behörde soll die Liste der zu sperrenden Webseiten eigenmächtig erstellen. Nicht einmal rückwirkend dürften dann Gerichte klären, ob eine Sperrung rechtens war. Das entspricht nicht den Spielregeln eines Rechtsstaats. 

Hier liegt das Risiko im Kampf gegen Kinderpornografie: Weil das Verbrechen so widerlich ist, nimmt man es mit den Mitteln der Bekämpfung nicht so genau. Das ist auch deswegen gefährlich, weil ein einmal implementiertes Gesetz zur Ausweitung neigt. Heute will der Staat mit Internet-Sperren gegen Kinderpornografie kämpfen, morgen wird damit die unrechtmäßige Verbreitung urheberrechtlich geschützten Materials verhindert und übermorgen ganz allgemein gegen unerwünschte Inhalte vorgegangen. Die Machthabenden sind stets trickreich, wenn es darum geht, missliebige Meinungen zu unterdrücken. Es braucht die Kontrollinstanz der Gerichte, damit die Freiheitsrechte des Einzelnen gewahrt bleiben. Nur dann hat Zensur keine Chance.

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