Die Arbeit beginnt meist kurz vor dem Urlaub. Wenn im Büro der Schreibtisch aufgeräumt werden will und dabei der Stapel mit den Visitenkarten seine Aufmerksamkeit einfordert. Eigentlich hatte man ja schon lange vorgehabt, die Namen und Adressen auf den kleinen Karten im DIN C8-Format in sein digitales Adressbuch zu überführen. Aber je mehr der Haufen wuchs, desto schwächer wurde die Motivation.
Wir bewegen uns heute ohne Probleme auf unterschiedlichen Ebenen in der digitalen Welt. Wir telefonieren mobil, schreiben Mails und SMS, viele twittern und bloggen oder sind in sozialen Netzwerken wie Xing, Facebook oder StudiVZ aktiv. Ist eine Verbindung auf digitaler Ebene erst einmal hergestellt, können Kontakte einfach gepflegt werden. Aber so weit muss man erst mal kommen. Denn an der Schnittstelle vom echten zum digitalen Leben hakt es noch.
Noch immer werden beim ersten Geschäftskontakt Visitenkarten ausgetauscht, die später mühsam ins digitale Leben überführt werden. Oder eben auch nicht. Und im Privatleben gibt es den helfenden Kontaktkarton erst gar nicht. Wer sich beim ersten Treffen in der Kneipe oder auf Reisen nicht mindestens Vor- und Nachname seiner Bekanntschaften merkt, bekommt häufig keine zweite Chance. Weil der Datenspeicher Gehirn so löchrig ist wie manches Mobilfunknetz auf dem Land.
Handys könnten als Gedächtnisstütze dienen. Fast alle Mobiltelefone übertragen Daten mittlerweile drahtlos. Per Infrarot oder Bluetooth. Das Problem: Die verschiedenen Handymarken verstehen sich untereinander nur bedingt. So manches Geschäftsessen endet mit dem nervösen Tippen zweier Anzugsträger auf ihrer Handytastatur.
Eine andere Möglichkeit: Visitenkarten mit der Handykamera abfotografieren, mit einer speziellen Software auslesen und ins Adressbuch einfügen. Manche Telefone, auf denen eine so genannte mobile OCR-Software installiert ist, können das bereits. Andere nicht. Das iPhone von Apple zum Beispiel hat eine so schlechte Linse, dass die Buchstaben und Zahlen auf den Visitenkarten nicht identifizierbar sind. Außerdem: Fast immer müssen die eingescannten Texte später am Bildschirm korrigiert werden. Mal sind Fax- und Telefonnummer vertauscht, mal einzelne Buchstaben nicht erfasst. Ähnliche Probleme bereiten Visitenkarten-Scanner. Die kleinen Geräte, meist so groß wie eine dicke Geldbörse, verschlucken mit ihrem Einzugsschlitz die kleinen Visitenkarten. Doch was sie auslesen, bedarf ebenfalls meist der Nachbearbeitung.
“Wir haben bis jetzt noch keinen Rappen in irgendeine Form von Marketing gesteckt“, sagt Stéphane Doutriaux. Doutriaux ist gebürtiger Kanadier und Wahlschweizer. Und er ist der Erfinder der Poken. Das sind kleine Kunststoffwesen, Schlüsselanhänger, in Form von Totenköpfen, Pandas oder Bienen. Treffen sich zwei Poken-Besitzer, können sie per Funk persönliche Daten austauschen. Etwa solche, wie man sie auf Visitenkarten findet, Name, Wohnort, Telefonnummer zum Beispiel; aber auch viel Privates, wie Links zu den eigenen Profilen bei Facebook und Co oder zu den Profilen von Twitter, Youtube und MySpace oder zu Instant Messaging Programmen wie ICQ oder AIM. Das praktische daran: Ein Poken kann mehrere Identitäten annehmen. Will man auf einer Party nur seine ICQ-Nummer, das SchülerVZ-Profil und den Spitznamen weitergeben, ist das kein Problem – einfach die Poken-Identität wechseln und schon hat man auf seiner digitalen Karte nur die Informationen, die man am Abend preisgeben möchte. Soll der Geschäftspartner nur das Xing-Profil, die geschäftliche Handynummer und den Namen sehen? Einmal die Poken-Identität wechseln und schon hat man eine Business-Card.
Die Technik für den Austausch zwischen zwei Anhängern liefert ein RFID-Chip, der im Poken eingebaut ist. Machen zwei Poken High-Five, tauschen die Anhänger ihre Daten aus. Zusätzlich hat jedes Poken einen USB-Anschluss, sodass die Daten zu Hause auf den Computer übertragen werden können. Doutriaux: „Seit Januar produzieren wir monatlich rund 60.000 Pokens, mit fast einer Verdoppelung jeden Monat; aber wir sind trotzdem restlos ausverkauft.” Seit wenigen Tagen kann man die Poken auch in Deutschland bestellen; hier zum Beispiel und hier. Vielleicht wird der Handshake der Poken, die gute alte Visitenkarte bald abschaffen. Der Urlaub könnte dann etwas entspannter beginnen.
Poken werden auch bei “mac at camp” in Bielefeld präsentiert und verkauft (1. – 3. Mai) http://www.macatcamp.de
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