Vom Volk für’s Volk: Wie sich das Internet für Modemacher zum Segen entwickelt
Es klingt nach Klischee, aber die Statistik belegt: Frauen und Mode gehören auch im Internet untrennbar zusammen. Jede zweite Internetnutzerin informiert sich im Web über Mode, während der Anteil in der gesamten Nutzerschaft nur 33 Prozent beträgt. Insgesamt sind das in Deutschland 12,6 Millionen Menschen, doppelt so viel wie vor 4 Jahren.
Die Zahlen stammen aus der Allensbacher Computer- und Technikanalyse 2008. Und die Studie zeigt auch: Das Internet dient längst nicht mehr ausschließlich der Recherche. Von zehn Websuchen zu Kleidung und Schuhen enden sechs mit einem Kauf.
Noch vor einigen Jahren war Versandhandel lediglich mittels dicker Kataloge von Otto, Quelle und Co möglich. Doch die eigentliche Revolution spielt sich nicht beim Verbraucher ab, der statt Papier-Seiten zu blättern, sich jetzt durch Websites klickt. Der Versandhandel per Internet verändert vor allem die Unternehmerseite. Denn mittlerweile kann jeder Kreative zum Unternehmer werden. Neben den allgemeinen Handelsplätzen wie Ebay bilden sich spezielle Anbieter für Mode heraus. Länger als 30 Minuten braucht es nicht, um auf diesen Seiten sein eigenes Angebot einzustellen und anzupreisen.
Etsy aus den USA ist eine solche erfolgreiche Plattform. Nur Selbstgemachtes darf dort verkauft werden. Im vergangenen Monat wurden dort 4,2 Millionen Dollar umgesetzt. Für 2009 plant Etsy mit einem Jahresumsatz über 100 Millionen Dollar. Das ist mehr als bei Ebay mit solchen Produkten gehandelt wird.
In Deutschland gibt es ähnliche Angebote, zum Beispiel Dawanda. 25 000 Kreative bieten nach eigenen Angaben dort mittlerweile ihre Waren an, 150 000 Kunden sollen registriert sein. Zu sehen gibt es dort viele Unikate, von Filzpuschen und Schlafbrillen über Kinderkleidung, Handtaschen bis zu Püppchen aus Amigurumi, einer japanischen Häkeltechnik.
Für Künstler und Handwerker sind die Plattformen ein Segen, in mehrfacher Sicht. Sie sparen sich den Aufwand einen eigene Laden (real oder im Internet) zu betreiben. Sie haben praktisch keinen Marketing-Aufwand, weil die Portale selbst für die Aufmerksamkeit sorgen. Und die Werbung für die jeweiligen Produkte erledigen die User selbst, denn auf den Portalen können sie ihre Bewertungen hinterlassen und anderen zukommen lassen. Qualität und gute Ideen bekommen so positive Resonanz.
Die Portale beleben also das Geschäft, weil sie ökonomisch gesagt, die Hürden für den Markteintritt senken. Neue (vor allem kleine) Unternehmen fordern die alten (vor allem große) Firmen heraus. “Es geht nicht darum, dass Basteln wichtiger wird. Es geht darum, dass der Einzelne in eine direkte Konkurrenz mit dem Konzern treten und sich mit besseren Produkten auf dem Markt durchsetzen kann”, hat Holm Friebe jüngst auf der Frankfurter Buchmesse gesagt, wo er sein Buch “Marke Eigenbau” präsentiert. Friebe vertritt darin die These, dass der bisherige “Konzernkapitalismus” durch eine Wirtschaftsform abgelöst werden könne, bei der Kleinunternehmer ihre Produkte Verbraucher anbieten, die ein Bedürfnis nach Ökologie und fairem Handel haben. Das Internet jedenfalls macht solche Wirtschaftsbeziehungen einfacher.
Die Modebranche ist dabei besonders geeignet für diese, von Friebe beschriebene, kleinteilige Wirtschaftsform. Denn Kleidung dient vor allem im Westen der Hervorhebung der Individualität. Massenprodukte taugen dafür nicht. Das Ende der Massenproduktion wird dies freilich nicht bedeuten. Denn erstens senkt die Massenfertigung Kosten. Zweitens hat Kleidung auch noch eine weitere, gegensätzliche Funktion: Keidung macht den Menschen auch zum Teil der Gesellschaft. Kleidung zeigt Anpassung. Das beste Beispiel ist der Herren-Anzug. Wer in trägt, zeigt Konformität.
Kleidung taugt also auch zur Massenfertigung. Ware von der Stange wird es deshalb weiter geben. Versandhändlern wie Otto braucht deshalb nicht bange sein. Zumal ihr Angebot längst auch im Internet zu kaufen ist – selbst die Bewertung durch den Kunden gehört bei Otto mittlerweile zum Standard.