Alles ist digital, nur das Radio noch nicht – Warum eigentlich?
Es gibt ein ungeschriebenes Mediengesetz, das für die Beschäftigten der Medienbranche sehr beruhigend ist. Das Gesetz sagt, dass die Einführung eines neuen Mediums noch nie ein bestehendes vollständig abgelöst hat. Als sich das Radio Anfang des vergangenen Jahrhunderts langsam zum Massenmedium entwickelte, prophezeiten viele das Ende des Buches; später sollte das Fernsehen das Radio vergessen machen. Und vom Internet behaupten heute nicht wenige, dass gleich sämtliche anderen Medien darin verschwinden werden. Es wird nicht geschehen.
Gerade wieder hat das vermeintlich verstaubte Medium Radio von sich hören gemacht. Bei der Fußball-EM. Mehr als vier Millionen Hörer haben bundesweit die Deutschlandspiele im Radio verfolgt.
Das Radio ist nicht tot. Denn es bietet Vorteile im Vergleich zu anderen Medien. Es kann Informationen schnell übertragen, ist fast überall verfügbar und man braucht nur die Ohren, um die gesendeten Inhalte aufzunehmen. Wer gerade Auto fährt, für den sind Fernsehen, Internet oder Zeitung eben kein adäquates Medium.
Und dennoch ist das Radio von heute von gestern. Seit es das Radio gibt, verwendet es die gleiche Übertragungstechnik, eine analoge nämlich. Das ist eigentlich praktisch. Weil jeder ein solches Signal mit seinem Radio empfangen kann. 300 Millionen UKW-Geräte gibt es in Deutschland. Auf der anderen Seite hätte das Radio heute eine größere Verbreitung, wenn die Menschen statt analogem digitales Radio empfangen würden. Denn es bringt einige Vorteile, ein Programmsignal vor dem Senden zu digitalisieren und zu komprimieren. Etwa weil auf einem solchen Frequenzband bis zu 20 Sender völlig rauschfrei und auch sonst in einer besseren Tonqualität übertragen werden können.
Eigentlich sollten alle alten Radiogeräte ab dem Jahr 2010 wertlos werden. Dann sollte die analoge Ausstrahlung von Radiosendern abgeschaltet werden. So war es in der Europäischen Union einmal beschlossen worden.
Heue glaubt daran kaum einer mehr. Denn die Deutschen hätten dann keinen Empfang mehr. Zwar gibt es das digitale Radio schon einige Jahre. Schätzungen zufolge sind in Deutschland aber nur zwischen 200 000 und 500 000 digitale Geräte in Betrieb – genauer gesagt: DAB-Geräte. So heißt der Standard, der ursprünglich mal das analoge Radio ablösen sollte. Er hat es nicht. Zwei Gründe verhindern den Durchbruch. Zum einen ist das Programmangebot auf den digitalen Frequenzen (zwischen 174 und 230 MHz) geringer als auf den analogen (87,5 und 108 MHz). Der Grund: Die kostspielige Ausstrahlung auf zwei Frequenzen wollen oder können sich nicht alle Radiostationen leisten. Zum zweiten gibt es heute mehr Standards als digitale Radioprogramme. So sind Radiosender etwa nicht nur über Kabel und Satellit zu empfangen, sondern auch über das digitale Fernsehen DVB-T. Ein weiterer Standard ist DVB-H. Dieser ermöglicht es, Radio auf Handys zu empfangen. Und über das Internet können mittlerweile über 12 000 Stationen gehört werden.
Jetzt droht dem DAB-Standard auch noch Konkurrenz aus dem eigenen Haus. Durch den Nachfolger von DAB: DAB plus. Der besitzt einen neuen Audio-Kompressions-Standard durch den die dreifache Zahl an Programmen an die Antennen gelangt, 60 statt 20 also. Das klingt gut, hat aber einen Nachteil. Die bisherigen DAB-Geräte können diesen Standard nicht empfangen. Sie würden damit genauso wertlos wie die analogen Geräte. Dennoch hat sich die Medienpolitik für DAB plus entschieden. Unklar ist nur noch, wer die Kosten für den Aufbau des Netzes zahlen soll. Medienberichten zufolge kalkuliert der Betreiber T-Systems in den nächsten Jahren mit Kosten von 45 Millionen Euro jährlich. Die Hörfunksender haben schon mal geschlossen abgewunken.
Gut möglich also, dass die Zeit des analogen Radios noch lange nicht vorbei ist. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass es analoge Programme mindestens bis zum Jahre 2015 geben wird. Für das Medium Radio ist das schlecht. Weil eine größere Vielfalt an Programmen und eine bessere Tonqualität dem Medium mehr Zuhörer brächte. Das Ende der Ära Radio aber wird es nicht sein. Es gibt keinen Grund, warum das ungeschriebene Mediengesetz diesmal nicht gelten sollte.